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Kommentar: Die FDP am Scheideweg: Auf die Wirtschaft kommt es an

Kommentar

Die FDP am Scheideweg: Auf die Wirtschaft kommt es an

Rudi Wais
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    Christian Lindner verteidigt die in der Regierung umstrittenen FDP-Vorschläge für eine "Wirtschaftswende".
    Christian Lindner verteidigt die in der Regierung umstrittenen FDP-Vorschläge für eine "Wirtschaftswende". Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Eine Partei, die um ihr politisches Überleben kämpft, hält es am besten mit Adenauer: Keine Experimente. So verführerisch es sein mag, sich neue Wählermilieus zu erschließen, so riskant ist es am Rande des Abgrundes auch, die Treuesten der Treuen zu verprellen. Bei der FDP sind das die Mittelständler und Freiberufler, die leitenden Angestellten und Beamten. Sie wählen die Liberalen, weil sie sich von ihnen eine pragmatische Wirtschaftspolitik erwarten, weniger staatliche Gängelung und einen sparsamen Umgang mit ihrem Steuergeld. Die Begeisterung der FDP für die Freigabe von Cannabis, für die Möglichkeit, sein Geschlecht regelmäßig zu wechseln, oder für ein gelockertes Abtreibungsrecht teilen sicher die wenigsten von ihnen. 

    Die FDP steckt im Umfragetief

    Dass Parteichef Christian Lindner beim Parteitag an diesem Wochenende eine „Wirtschaftswende“ und Sozialreformen vom Bürgergeld bis zur Rente mit 63 in den Fokus rücken wird, hat auch damit zu tun. Viele gesellschaftspolitische Reformen, die die FDP in der Ampelkoalition mit verabredet hat, sind zwar Beschlusslage in Partei oder Bundestagsfraktion, etwa die Entkriminalisierung von Cannabis oder die „Verantwortungsgemeinschaft“, nach der auch eine Wohngemeinschaft ein eheähnliches Gebilde sein kann. Gedankt aber wird das der FDP nicht, in den Umfragen ist sie teilweise bereits unter die Marke von fünf Prozent gefallen. 

    Das demonstrativ Progressive, das die Freien Demokraten auch mit ihrem Eintreten für eine Legalisierung der Leihmutterschaft an den Tag legt, folgt im Kern zwar einer liberalen bis libertären Logik – aber zahlt das auch auf die Partei ein? In einer idealen Welt ergänzen sich Bürgerrechtsliberale und Wirtschaftsliberale vielleicht. In der Ampelkoalition aber geht diese Kalkulation nicht auf. In ihr muss die FDP vor allem die Stimme der wirtschaftlichen Vernunft sein. 

    Gesellschaftspolitische Reformen bekommt sie ja praktisch für lau, da Grüne und Sozialdemokraten in vielen dieser Fragen ähnlich ticken. Um das Land ökonomisch auf Kurs zu halten, muss die Partei dagegen enorme Kraft aufwenden, weil ihre beiden Koalitionspartner das Umverteilen vor das Erwirtschaften setzen und der Widerstand gegen Steuererleichterungen und eine Flurbereinigung bei den Sozialausgaben entsprechend groß ist. Im ungünstigsten Fall könnte sich Geschichte gar wiederholen: 2013 flog die FDP aus dem Bundestag, weil sie ihr wichtigstes Wahlversprechen nicht hatte einlösen können - Steuersenkungen. 

    Schon Clinton wusste: Auf die Wirtschaft kommt es an

    Lindner hört es nicht gerne, wenn seine Partei als Klientelpartei bezeichnet wird. In der gegenwärtigen Lage aber muss er schon froh sein, wenn die klassische Klientel noch zu ihr hält. Die Treuesten der Treuen wollen nicht, dass die FDP die Grünen links überholt oder die Bundesrepublik in einen Olymp der Identitätspolitik verwandelt, sondern in einem Land leben, das wirtschaftlich wettbewerbsfähig ist, das den hart erarbeiteten Wohlstand sichert und vor Herausforderungen wie der zunehmenden Migration nicht kneift. 

    Am Ende wird Lindner vor allem daran gemessen, ob Deutschland bis zur Bundestagswahl seine konjunkturelle Flaute überstanden hat. „Auf die Wirtschaft kommt es an, Dummkopf“, hat der ehemalige US-Präsident Bill Clinton 1992 im Wahlkampf etwas frei übersetzt gesagt. Für die FDP gilt das noch mehr als für andere Parteien – bei den Themen Wirtschaft und Steuern hat sie ihre höchsten Kompetenzwerte, dafür wird sie gewählt und gebraucht. Als Partei des freien Kiffens und der freien Geschlechterwahl ist sie so uninteressant wie ein vertrockneter Joint.

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