Dass die CSU im Umgang mit Rechtspopulisten wenig Berührungsängste hat, belegen die zahlreichen Treffen von Ex-Ministerpräsident Horst Seehofer mit Viktor Orbán. "Der liebe Viktor" zeigte sich langfristig indes nicht unbedingt dankbar für die ihm einst gebotene Bühne. Am Rande seines jüngsten Deutschland-Besuches schrieb der ungarische Regierungschef EVP-Chef Manfred Weber (CSU) in einem Interview die Rolle des "Beelzebubs" zu und verbreitete krude Verschwörungstheorien über einen vorgeblichen "Soros"-Plan, mittels dessen Europa mit Migranten überschwemmt werden solle. "Bevölkerungsaustausch" und so weiter, extrem rechtes Geschwätz eben.
Es bleibt daher so erstaunlich wie fragwürdig, dass Weber das Seine dazu beiträgt, die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hoffähig zu machen. Denn bekannt ist: Eines von Melonis Vorbildern ("Role Model") ist Viktor Orbán. Daran ändert auch nichts, dass die beiden in der Ukraine-Frage gänzlich andere Positionen vertreten oder Orbán bei seinem Besuch am Dienstag in Rom ausschloss, dass seine Partei der von Meloni dominierten Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) im Europäischen Parlament beitreten werde.
Die pastellfarbenen Bilder vom G7-Gipfel sollten niemand täuschen
Die sanft pastellfarbenen Bilder vom G7-Gipfel in Apulien, wo sich Gastgeberin Meloni auf der weltpolitischen Bühne zu inszenieren wusste, sollten niemand täuschen. Wie brüderlich Melonis "Fratelli d'Italia" tatsächlich sind, macht die von ihrem Regierungsbündnis angestrebte Verfassungsreform deutlich. Künftig soll in Italien die Ministerpräsidentin nicht mehr vom Staatspräsidenten mit der Regierungsbildung beauftragt, sondern direkt vom Volk für fünf Jahre gewählt werden. Dazu kommt ein sogenannter Mehrheitsbonus: Wer die Wahl gewinnt, soll automatisch 55 Prozent der Sitze in Abgeordnetenkammer und Senat erhalten. Das Argument der notorischen Instabilität italienischer Regierungen ist zwar nicht von der Hand zu weisen. Aber klar ist auch, wohin diese Reform tatsächlich zielt: Sie soll die politischen Verhältnisse in Italien zugunsten der Rechten manifestieren. Das just ebenfalls beschlossene Autonomiegesetz stärkt zudem den reichen Norden, wo die ebenfalls extrem rechte "Lega" von Matteo Salvini ihre Heimat hat. Und eine Justizreform hat Melonis Regierung auch bereits in Vorbereitung. Erinnert das irgendwen an Ungarn?
Wessen Geistes Kind Meloni ist, hat sich offenbar noch nicht hinreichend herumgesprochen
Sicher, die Verfassungsreform muss noch durch die Abgeordnetenkammer und – sollte es dort die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit nicht geben – noch durch ein Referendum bestätigt werden, aber wessen Geistes Kind Meloni ist, hat sich offenbar noch nicht genug herumgesprochen: Als 15-Jährige trat sie in die Jugendorganisation des Movimento Sociale Italiano (MSI) ein, einer nach dem Zweiten Weltkrieg von Faschisten gegründeten Partei. Menschen können sich ändern und Meloni hat sich in ihrer Antrittsrede nach jahrelangem Zögern von Benito Mussolini distanziert. Wie glaubwürdig das allerdings ist, kann man bei Antonio Scurati nachfragen. Der Schriftsteller und Mussolini-Experte wird von der Regierung und regierungsnahen Medien nicht wohl gelitten. Zuletzt hätte er bei Rai3 zum "Tag der Befreiung" sprechen sollen. Und wurde kurzfristig ausgeladen. Ein Zensur-Skandal. Antifaschistisches hört Melonis Regierung offenbar nicht so gern im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, den sie zunehmend unter Kontrolle zu bringen versucht.
Manfred Webers Argumentations-Trias im Umgang mit Meloni & Co. lautet stets: "Pro Europa, pro Ukraine, pro Rechtsstaat". Pro Rechtsstaat? Er wird sich daran messen lassen müssen. Gleiches gilt für Ursula von der Leyen. Sie kann auf eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin blicken, braucht aber die Zustimmung einer Parlamentsmehrheit. Möglicherweise auch die der EKR. Wie ernst es der Union mit der Brandmauer gegen rechts ist, wird sich hier zeigen. Schlimm genug, dass Meloni diese Macht bereits hat. Und schon da ist, wo Madame Le Pen gerne wäre.