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Kommentar: Die Entlastung für Gaskunden ist kompliziert und typisch deutsch

Kommentar

Die Entlastung für Gaskunden ist kompliziert und typisch deutsch

Rudi Wais
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    Die hohen Gaspreise setzen Unternehmen in Europa unter Druck.
    Die hohen Gaspreise setzen Unternehmen in Europa unter Druck. Foto: Axel Heimken, dpa

    Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Im Bemühen, Millionen von Haushalten einen kalten Winter zu ersparen, haben sich die Ampelparteien auf eine Maßnahme aus dem politischen Absurdistan verständigt: Erst erhöhen sie den Gaspreis mit drei teuren Umlagen zur Rettung angeschlagener Versorger, um den Preisschock für die Kunden dann in einem zweiten Schritt durch eine Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Gas wieder zu lindern. Zur einfachsten Lösung, wankenden Konzernen wie Uniper mit einer Kombination aus staatlichen Krediten und Zuschüssen zu helfen und die privaten Gaskunden mit Hilfe von Direktzahlungen zu entlasten, führt in Steuerdeutschland offenbar kein Weg.

    Energiepauschale: Die Arbeitgeber helfen aus

    Das liegt nicht nur an dem sehr deutschen Hang zu Bürokratie und Umständlichkeit, sondern auch an einem Konstruktionsfehler in den Finanzbeziehungen zwischen dem Staat und seinen Bürgern: Bis heute gibt es keinen Mechanismus, mit dem die Finanzverwaltung alle Menschen schnell und direkt erreicht. Bei der Energiepreispauschale etwa übernehmen im September die Arbeitgeber die Auszahlung für ihre Beschäftigten, Freiberufler und Selbstständige dagegen müssen sich selbst um ihr Geld kümmern und ihre Steuervorauszahlungen um 300 Euro kürzen. Obwohl jeder Mensch in Deutschland quasi mit der Geburt eine Steuernummer erhält, kann der Staat einen solchen Zuschuss nicht auf Knopfdruck überweisen.

    "Sozialen Ausgleich schaffen": Wirtschaftsminister Robert Habeck auf dem Weg nach Kanada.
    "Sozialen Ausgleich schaffen": Wirtschaftsminister Robert Habeck auf dem Weg nach Kanada. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Im Falle der Mehrwertsteuer auf Gas kommt zu dieser organisierten Umständlichkeit noch ein weiteres Problem hinzu – nämlich der Glaube, (fast) alles über Steuern steuern zu können. Tatsächlich jedoch eignet sich das deutsche Steuersystem nur bedingt dazu, das Verhalten von Menschen zu beeinflussen. So haben weder die verschiedenen Erhöhungen der Tabaksteuer die Zahl der Raucher reduziert noch hat die 1999 von der rot-grünen Koalition eingeführte Ökosteuer ihre Ziele erreicht, nämlich einerseits den Verbrauch an fossilen Brennstoffen zu bremsen und zugleich mit den Einnahmen aus der Steuer die Rentenkassen nachhaltig zu stabilisieren. Im Gegenteil: Ein knappes Vierteljahrhundert danach fahren die Deutschen weder weniger Auto noch ist die gesetzliche Rentenversicherung auf die demografischen Stürme vorbereitet, die in den nächsten Jahrzehnten aufziehen werden.

    Die Ampel arbeitet nach dem Prinzip Hoffnung

    Die vorübergehende Reduzierung der Mehrwertsteuer für Gaskunden von 19 auf nur noch sieben Prozent fußt nun ebenfalls zu einem großen Teil auf dem Prinzip Hoffnung – der Hoffnung, dass die Versorger den neuen Nachlass auch eins zu eins an ihre Kunden weitergeben. Beim Tankrabatt hat das, wie man heute weiß, nicht immer und nicht überall funktioniert.

    Und auch das von Sozialdemokraten und Grünen mantraartig beschworene Ziel, Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen stärker zu entlasten, ließe sich mit Direktzahlungen um einiges einfacher erreichen als mit dem niedrigeren Mehrwertsteuersatz: Von einer Energieprämie von, sagen wir, 500 oder 1000 Euro profitiert eine alleinerziehende Mutter in einer kleinen Mietwohnung proportional stärker als der Villenbesitzer mit Pool im Garten – zumal, wenn er einen Zuschuss wie die 300 Euro im September versteuern muss.

    Der Amtsschimmel aber liegt noch immer träge in seiner Box. Bereits im März haben Sozialdemokraten, Grüne und Liberale beschlossen, Leistungen wie die Energiepauschale künftig schneller und unbürokratischer auszuzahlen – zum Beispiel, indem die Finanzämter zu jeder Steuer-ID die Kontonummer erfragen und speichern. Darauf aber wartet Steuerdeutschland bislang vergeblich.

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