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Kommentar: Die Deutsche Einheit – ein Glücksfall ohne Wenn und Aber

Kommentar

Die Deutsche Einheit – ein Glücksfall ohne Wenn und Aber

Michael Stifter
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    Die Euphorie nach der Wiedervereinigung hielt nicht sehr lange.
    Die Euphorie nach der Wiedervereinigung hielt nicht sehr lange. Foto: dpa

    Selten sind die Deutschen so deutsch wie am Tag der Deutschen Einheit. Ja klar, hört man dann, das mit der Wiedervereinigung sei natürlich ein Glück gewesen damals – und es folgt meist eine sehr deutsche Haltung, die sich im Wörtchen aber ausdrückt. Aber ging es nicht doch zu schnell? Aber diese Kosten. Aber die Landschaften blühen ja gar nicht alle. Aber so richtig zusammengewachsen sind wir immer noch nicht. Aber die Leute im Osten wählen ja alle rechts. Der Krieg in der Ukraine führt uns schonungslos vor Augen, wie kleingeistig diese deutsche Nörgelei in Wahrheit ist.

    Der Frieden, den wir für selbstverständlich hielten, war es nicht

    Drei Jahrzehnte später zieht sich ein neuer Eiserner Vorhang zu. Durch Europa rollen Panzer, es tobt ein Krieg – ein Krieg um Städte und besetzte Landstriche, aber auch um Werte, um Freiheit und politische Systeme. Wladimir Putin hat dem Westen den Kampf angesagt. Und er führt uns Deutschen vor Augen, wie fragil der Frieden, den wir schon wieder für selbstverständlich gehalten hatten, in Wahrheit gewesen ist.

    Schicksalstage im Kaukasus: In der Heimat von Michail Gorbatschow (links) bekam Helmut Kohl (rechts) 1990 das Ja aus Moskau für die Wiedervereinigung. Theo Waigel (hinter Gorbatschow) war in den entscheidenden Stunden dabei.
    Schicksalstage im Kaukasus: In der Heimat von Michail Gorbatschow (links) bekam Helmut Kohl (rechts) 1990 das Ja aus Moskau für die Wiedervereinigung. Theo Waigel (hinter Gorbatschow) war in den entscheidenden Stunden dabei. Foto: dpa

    Deutschland ist inzwischen länger wiedervereint, als die Berliner Mauer gestanden hatte. Der Blick zurück wird unschärfer. Der Blick auf das menschenverachtende DDR-Regime, das auf die eigenen Bürgerinnen und Bürger schießen ließ, wenn sie nur versuchten, das Land zu verlassen. Aber auch der Blick auf die Monate nach dem Mauerfall. Helmut Kohl ist oft belächelt worden für seinen pathetischen Satz vom „Mantel der Geschichte“, der nur für einen kurzen Augenblick geweht habe. Dabei hat er recht behalten. Schon bald nach der friedlichen Revolution in der DDR wurde Michail Gorbatschow aus dem Amt gefegt.

    Gorbatschow stand für ein Russland, das nicht mehr als Bedrohung empfunden werden wollte

    Der im Westen verehrte und zu Hause verdammte Reformer war Symbol für ein Russland, das von der Welt nicht mehr als Bedrohung wahrgenommen wurde – und noch wichtiger: auch nicht als Bedrohung wahrgenommen werden wollte. Dass er nun ausgerechnet in jenem Jahr starb, in dem Putin die Angst vor Russland ganz bewusst wieder zurück in unsere Köpfe bombt, gehört zur bitteren Ironie der Geschichte.

    Im Kreml herrscht heute ein Despot, der das Ende der Sowjetunion und damit ja auch den Fall des Eisernen Vorhangs, die Freiheit für frühere Sowjetrepubliken und Satellitenstaaten – wie die DDR – für eine Katastrophe hält. Eine Katastrophe, die er zumindest teilweise rückgängig machen will, wie er auch in seiner Rede zur Annexion von Regionen der Ukraine am Freitag klarmachte. Im Baltikum, in Moldawien oder Georgien ist die Furcht vor Putins Großmachtwahn greifbar. Die Menschen dort fragen sich: Wozu ist er noch fähig?

    Trotz der Krisen ist Deutschland eines der stabilsten und reichsten Länder der Welt

    Dass die russischen Machtfantasien nicht bis Ostdeutschland reichen, haben wir mutigen Menschen in Ost und West zu verdanken, die 1989 und 1990 die Chance nutzten, die deutsche Teilung zu überwinden – dauerhaft zu überwinden. Trotz des anstrengenden Weges der Wiedervereinigung und trotz aller aktueller Krisen ist Deutschland heute eines der stabilsten und reichsten Länder der Welt.

    Die Fusion zweier Staaten vom 3. Oktober 1990 ist nicht perfekt, aber sie ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Auch wenn sie sich für manche Menschen im Osten heute eher wie eine feindliche Übernahme anfühlt und sich im Westen andere fragen, wie lange man noch für Altlasten der maroden DDR zahlen soll. Andere Nationen sind dagegen beeindruckt davon, wie gut wir das alles hinbekommen haben. Dieser Blick von außen ist klarer als unser eigener, der viel zu oft das aber sucht.

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