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Kommentar: Die Deutsche Bahn lernt nicht aus ihren Fehlern

Kommentar

Die Deutsche Bahn lernt nicht aus ihren Fehlern

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    Das Fiasko von Stuttgart 21 droht sich in München beim zweiten S-Bahn-Tunnel zu wiederholen. Das Bahnmanagement macht trotzdem weiter. (Symbolbild)
    Das Fiasko von Stuttgart 21 droht sich in München beim zweiten S-Bahn-Tunnel zu wiederholen. Das Bahnmanagement macht trotzdem weiter. (Symbolbild) Foto: Matthias Balk, dpa

    Wie sich die schlechten Dinge gleichen in Stuttgart und München. Ein Großprojekt der Bahn wird um Milliarden teurer und verzögert sich um etliche Jahre. In Baden-Württemberg geht es um Stuttgart 21, in Bayern um die zweite S-Bahn-Röhre für München. Dass der seit Ewigkeiten in der Modernisierung steckende Bahnhof in Augsburg nun vielleicht doch nicht leistungsfähig genug ist, um die geplante Schnellverbindung nach Ulm bedienen zu können, wirkt dagegen wie eine Petitesse.

    Eigentlich, so könnte es der naive Beobachter annehmen, hätten Bahn, Bund und Länder aus dem Debakel um den neuen Stuttgarter Bahnhof gelernt. Dass es hinterher doppelt und dreifach kostet, wenn der Zuschlag an ein künstlich heruntergerechnetes Angebot geht. Dass es großzügiger finanzieller Puffer bedarf. Dass wegen des Baubooms der vergangenen zehn Jahre Arbeiter und Material knapp sind. Doch die Bahn als Bauherr hat es versiebt – wieder einmal. Der Staatskonzern schafft es noch nicht einmal, sich mit einem hochrangigen Vertreter der Debatte im Münchner Stadtrat zu stellen. So viel Rückgrat müssen die Münchner von Bahnchef Richard Lutz und seinen Vorstandskollegen erwarten dürfen.

    Bahnchef Richard Lutz wäre in der Privatwirtschaft nicht mehr Chef

    Doch die Bahn hat ein Führungsproblem. Lutz gehört dem obersten Führungsgremium des Unternehmens seit 2010 an, zunächst als Finanzvorstand, seit 2017 als Chef. Dass ein Chef zwei derartige Debakel bei Prestigebauten zu verantworten hat, wäre in der privaten Wirtschaft nicht denkbar. Doch Lutz darf weitermachen, als wäre nichts geschehen. Denn die traurige Wahrheit lautet, dass die Bundesregierung Mühe hat, passenden Ersatz zu finden.

    Zwar wollte sich der Ex-Kanzleramtschef und Merkel-Vertraute Ronald Pofalla zum Bahn-König krönen, aber als CDU-Mann hatte er nach dem Regierungswechsel das falsche Parteibuch. Im Übrigen hat Pofalla als einstiger Infrastrukturvorstand ganz wesentlichen Anteil daran, dass sich die Probleme in Stuttgart und München türmen und die Bahn ihre Baustellen nicht in den Griff bekommt, sodass mehr als jeder dritte Zug im Fernverkehr zu spät kommt.

    Die Bahn könnte im Herbst ihre Preise erhöhen

    Einen erfahrenen Ersatz für Lutz in der deutschen Manager-Elite zu finden ist deshalb so schwer, weil die Bundesregierung als Eigentümer gerne und ausdauernd in ihrem Schienenbetrieb hineinregiert. Zum Beispiel durch das Großexperiment Neun-Euro-Ticket, beschlossen in einer nächtlichen Basarrunde der Ampel-Parteien, damit die Grünen auch einen Skalp mit nach Hause tragen durften, weil die FDP den Tankrabatt durchgesetzt hatte.

    Der Superbilligfahrschein sorgt unter den Eisenbahnern intern für viel Zorn, weil die Bahn kaum Vorbereitungszeit für Millionen neue Passagiere hatte und das System schon zuvor am Anschlag lief. Zur Ironie der Geschichte gehört, dass die Bahn wahrscheinlich im Herbst ihre Preise wird anheben müssen, weil Strom und Diesel so viel mehr kosten als vergangenes Jahr. Es sei denn, der Eigentümer greift in die Staatskasse und überweist einen ansehnlichen Milliardenbetrag an sein ohnehin hoch verschuldetes Unternehmen.

    Die Bahn leidet unter einer unklaren Führung zwischen Vorstand und Regierung

    Die Bahn krankt an dieser zwischen Vorstand und Regierung verwischenden Führung. Beide Seiten können die Schultern heben und sagen, die jeweils andere hat Schuld. Deshalb ist es gut, dass Verkehrsminister Volker Wissing das Unternehmen jetzt durch eine Steuerungsgruppe eng führt. Für Lutz wird damit der Bewegungsspielraum enger, seiner Bilanz ist jedoch nicht angetan, dass sie mehr Beinfreiheit rechtfertigen würde. Wissing, der im ersten halben Jahr im Amt eher in der Beobachterrolle agierte, macht den schlingernden Schienenkonzern damit zu seiner Sache. Es wäre leichter gewesen, den Bahnchef zu feuern und den Posten mit einem Nachrücker aus der zweiten Reihe zu besetzen. Doch der FDP-Minister will sich nicht länger wegducken. Das heißt aber auch, dass Stuttgart 21, die Stammstrecke in München und die chronische Unpünktlichkeit nun seine Probleme sind. Viel Feind, viel Ehr.

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