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Kommentar: Die Debatte über Abtreibungen darf nicht zum Kulturkampf werden

Kommentar

Die Debatte über Abtreibungen darf nicht zum Kulturkampf werden

Margit Hufnagel
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    Eine Demonstrantin hält ein Schild mit der Aufschrift „Abtreibung ist ein Recht“ in die Höhe.
    Eine Demonstrantin hält ein Schild mit der Aufschrift „Abtreibung ist ein Recht“ in die Höhe. Foto: Thomas Banneyer, dpa

    Es gibt wenige Themen, für die es schwieriger ist, einen Kompromiss zu finden. Wenn es um die Frage nach Leben oder Tod geht, gibt es schlicht keinen Mittelweg. Und doch war es vor inzwischen 30 Jahren gelungen, so etwas wie eine gesellschaftliche Einigung in der Debatte um die Abtreibung zu erzielen. Zum einen stellte der Gesetzgeber durch den Paragrafen 218 klar, dass ein Schwangerschaftsabbruch immer eine Ausnahme ist und niemals ein normales Instrument der Verhütung werden kann. Zum anderen wurde betroffenen Frauen aber auch ein Weg angeboten, eine Entscheidung über den eigenen Körper zu treffen, indem Abbrüche unter bestimmten Voraussetzungen straffrei sind. Nun will die Bundesregierung an diesem mühsam errungenen Konsens rütteln und überlegt, ob sie Abtreibungen legalisiert. Eine Kommission hat entsprechende Vorschläge vorgelegt. Der Schritt ist mindestens gewagt. Es ist leider zu befürchten, dass alte Kämpfe neu ausgefochten werden. Und dass vor allem Frauen darunter leiden werden. Also jene, für die die Ampel sich doch eigentlich einsetzen will.

    Nun darf uns die Angst vor den dunklen Seiten einer Debatte nicht davon abhalten, Themen neu auszuhandeln. Und das Thema Abtreibung ist gesellschaftlich so hoch relevant, dass es sogar eine Pflicht gibt, Für und Wider immer wieder in den Blick zu nehmen. Nur: Ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür? Schon ohne neuen Konfliktstoff sind die Gräben im Land tief wie lange nicht. Das Vertrauen in die politischen Institutionen ist mindestens angeknackst. Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten senden ihre Schockwellen bis auf die Straßen und in die Wohnzimmer unserer Republik. Es darf nicht sein, dass die Debatte um den Paragrafen 218 für einen Kulturkampf missbraucht wird. 

    Die Regierung sollte eher die Probleme in der Praxis ausräumen

    Gerade in Zeiten der Krise ist die Versuchung in bestimmten Gruppen einfach zu groß, mit einem „Früher war alles besser“ auch einen Angriff auf feministische Errungenschaften zu verbinden. Wer das nicht glaubt, dem sei ein Blick in die USA empfohlen, wo ein Mann, der vor herabwürdigenden Äußerungen gegenüber Frauen nicht zurückschreckt, die Chance hat, zum zweiten Mal zum Präsidenten gewählt zu werden. Genauso sollten sich Befürworter einer legalen Abtreibung davor hüten, das Thema zu banalisieren. Die Entscheidung, eine Schwangerschaft abzubrechen, mag privat erscheinen – doch die Leitplanken, innerhalb derer das Selbstbestimmungsrecht ausgeübt wird, bestimmt der Staat aus gutem Grund. Die Frage ist, ob wir das dieser Koalition noch zutrauen: Man möchte es sich gar nicht ausmalen, welches Gerangel sich die zerstrittene Zwangsgemeinschaft liefern wird.

    Will die Regierung den betroffenen Frauen wirklich helfen, sollte sie einen Blick auf die Praxis werfen – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn nicht der juristische Unterschied zwischen „straffrei“ und „legal“ ist das Hauptproblem vieler ungewollt Schwangerer. Vielmehr die Tatsache, dass kaum mehr Ärztinnen und Ärzte überhaupt einen Abbruch vornehmen. Nun verbietet es sich, in einer dermaßen ethisch heiklen Frage Zwang auf Mediziner auszuüben. Kein Arzt sollte dazu verpflichtet werden, ein Leben zu beenden – und nichts anderes ist eine Abtreibung. Was die Politik hingegen tun kann, ist, die Rahmenbedingungen zu verbessern, für all jene, die sich dieser schwierigen Aufgabe stellen. Dass Abtreibungsgegner vor Praxen aufmarschieren, dass sie Mediziner bedrängen, dass sie Frauen auflauern, das darf nicht sein. Wenn die Gesellschaft sich auf einen so schwierigen Ausgleich von Grundrechten, wie es bei Schwangerschaftsabbrüchen der Fall ist, geeinigt hat, haben das alle Seiten zu akzeptieren. 

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