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Kommentar: Die CDU sucht nach der verlorenen Identität

Kommentar

Die CDU sucht nach der verlorenen Identität

Margit Hufnagel
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    Hendrik Wüst (CDU, links), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, und Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender, stoßen beim Sommerfest der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen beim Bund an.
    Hendrik Wüst (CDU, links), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, und Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender, stoßen beim Sommerfest der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen beim Bund an. Foto: Christoph Soeder, dpa

    Als die Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel Mitte der Woche in der Münchner Residenz mit dem Bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet wurde, wirkte ihr Auftritt wie aus der Zeit gefallen. Als ob sie nicht vor zwei, sondern vor 20 Jahren die aktive politische Bühne verlassen hätte. Die Welt dreht sich gefühlt schneller und schneller. Ukraine-Krieg, die Klimakrise, der Aufstieg der Rechten – keine dieser so gewaltigen Bedrohungen hatte sie ausbremsen können. Für die eigene Partei, die CDU, hätten das zumindest nicht nur schlechte Nachrichten sein können. Denn wer um die Schwächen der Vergangenheit weiß, kann leichter in die Zukunft schauen, kann neu durchstarten. Doch genau das fällt der Union auch fast zwei Jahre nach Merkels Abgang erkennbar schwer. 

    Zwar wurde – nach zwei Fehlversuchen – ein Parteichef gefunden, der der menschgewordene Widerspruch zur Vorgängerin ist. Doch Friedrich Merz scheint sich immer mehr als eine Zwischenlösung herauszukristallisieren, als ein Anführer auf Zeit – und die könnte bald abgelaufen sein. Dass mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst ein Konkurrent aufgetaucht ist, der trotz der quälenden Personaldebatten der Partei in den vergangenen Jahren nun ganz offen auf Konfrontationskurs geht, lässt tief blicken. Es geht dabei nicht nur um den Machtkampf zweier Alphatiere, es geht um die Frage, wofür die CDU künftig stehen will. Merz und Wüst sind dabei nur die Symbole. 

    Die CDU braucht eine Selbstfindungsphase

    Dass die Christdemokraten überhaupt die Frage nach ihrer eigenen Identität stellen, hat natürlich viel mit dem Erfolg oder besser gesagt dem ausbleibenden Erfolg zu tun. Für eine Machtpartei wie die CDU fühlt sich Opposition per se schon nach einem Fehler der Geschichte an. Dass es aber keine Mehrheit im Land gibt, die glaubt, dass die Konservativen es besser machen würden als die heillos zerstrittene Ampel, das ist ein echter Tiefschlag. 

    Aber auch wenn es schmerzhaft ist und zunächst sicher keine neuen Wählerstimmen bringt: Vielleicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Selbstfindungsphase. Der Blick in den Rückspiegel wird klarer und weniger emotional. Die Zeit bis zur nächsten Bundestagswahl ist zwar nicht ewig, aber ausreichend lang. Der bayerische Landtagswahlkampf wird für genügend Ablenkung der Öffentlichkeit sorgen, und zur Not spielen FDP und Grüne auch mal selbst Opposition und zerlegen sich gegenseitig. Ein bisschen Streit darf sich auch eine Partei wie die CDU erlauben. Ohne wird es eh nicht gehen. Und ihn bis kurz vor dem Beginn des Wahlkampfes aufzuschieben, wäre ein tödlicher Plan.

    Was ist konservativ, was ist gestrig?

    Mit ihrem Grundsatzkonvent hat die CDU zwar schon einen Anfang gemacht, doch das wird kaum ausreichen. Wie schwer es ist, einfach die Zeit zurückzudrehen und das Konservative wieder stärker zum Vorschein zu bringen, hat Merz in den vergangenen Monaten erfahren. Was konservativ ist und was einfach nur gestrig, darüber gehen die Meinungen selbst im eigenen Lager deutlich auseinander. 

    Sosehr Teile der Partei mit Merkel hadern mögen, eines muss man der langjährigen Vorsitzenden lassen: Sie hat breite Wählerschichten angezogen. Der Vorwurf der Beliebigkeit muss für eine Volkspartei nicht der schlechteste sein – wenn er heißt, dass viele Menschen sich in ihr wiederfinden. Es gibt einfachere Aufgaben, als dies in der Welt des Jahres 2023 zu schaffen. Unmöglich ist es nicht. Ein modernes Gesellschaftsbild verbinden mit einem gefestigten Wertebild, Klimapolitik als Bewahren der Schöpfung anstatt als Kulturkampf, der Kampf gegen Rechts, ohne das Vokabular der AfD zu übernehmen. Ja, Gendersprache mag ein Reizthema sein, das hohes Erregungspotenzial hat. Doch ganz ehrlich: Entscheidend für Deutschland ist es nicht. Auf solche Scheingefechte können wir verzichten.

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