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Kommentar: Die Bauern müssen jetzt Verantwortung zeigen

Kommentar

Die Bauern müssen jetzt Verantwortung zeigen

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    Ein Landwirt geht mit seiner Familie an parkenden Treckern entlang.
    Ein Landwirt geht mit seiner Familie an parkenden Treckern entlang. Foto: Philipp Schulze, dpa

    Die Feinde der Demokratie wittern Morgenluft. Rechtsextreme, Reichsbürger, Verschwörungstheoretiker oder sonst geistig abgedriftete Menschen nutzen die Bauernproteste aus, um als aggressive Trittbrettfahrer ihre wirren Träume von einem „Generalstreik“ und „Umsturz-Randalen“ zu verwirklichen. Das Bundeskriminalamt, kein Organ des Alarmismus, warnt vor einer Unterwanderung der Demonstrationen gegen die Bundesregierung

    Wie zutreffend diese Einschätzung ist, zeigt die Schande von Schlüttsiel, einem Tiefpunkt der bundesdeutschen Geschichte. Denn an dem nordfriesischen Fähranleger hatte sich ein durch Aufrufe in sozialen Medien aufgehetzter Mob zusammengerottet, um Wirtschaftsminister Robert Habeck nach einem Kurzurlaub auf Hallig Hooge aggressiv auf die Pelle zu rücken. Der Grünen-Politiker war als Privatmann unterwegs. Nicht auszudenken, was hätte passieren können, wenn die Bootsbesatzung nicht geistesgegenwärtig mit dem Schiff umgedreht wäre und die entsetzten Passagiere vor den übergriffigen Menschen in Sicherheit gebracht hätte. 

    Der Bauernprotest und die Schande von Schlüttsiel

    Der Vorfall ist auch deshalb so bestürzend, weil die Bundesregierung zuvor klar signalisiert hatte, die geplanten Belastungen für die Bauern, also einen insgesamt hochsubventionierten Berufsstand, weitgehend zurückzunehmen. Die Ampelregierung drehte also bei, um die über die Hauruck-Subventionsstreichungen zu Recht aufgebrachten Bauern zu beruhigen. Das geschah auch auf Druck des grünen Landwirtschaftsministers Cem Özdemir. Die Kuh müsste damit vom Eis sein. Doch die Bauernverbände wollen nicht lockerlassen, ehe auch die noch verbliebenen Streichpläne zurückgenommen werden. Sie proben jetzt den Aufstand, als hätte sich die Bundesregierung nicht ein großes Stück auf sie zubewegt. Dabei spielt die Bauern-Lobby mit dem Feuer. Denn die Rechten zündeln, wo sie nur können. Sie wirken unserer Demokratie, der wir Wohlstand und Sicherheit verdanken, überdrüssig.

    Gerade Politikerinnen und Politiker der Grünen werden verbal hemmungslos herabgesetzt. Regelrechter Grünen-Hass macht sich in diesen radikalen Kreisen breit. AfD-Co-Chefin Alice Weidel unterstellt Habeck sogar hämisch, „Fährenflucht“ begangen zu haben. Dabei wurde der Vizekanzler von tapferen Seeleuten vor dem rechten Mob geschützt, eine Tatsache, die wie jene Horde, die 2020 den Reichstag stürmen wollte, keine Grenzen. Ihnen fehlt Anstand und Respekt vor den Repräsentanten und Einrichtungen unserer Demokratie. Der Politikwissenschaftler Kai Arzheimer spricht von einer „Erosion politischer Normen“. Und die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, warnt vor französischen Verhältnissen in Deutschland. Länder würden reformunfähig, wenn sich durchsetzt, wer am lautesten protestiert. 

    Auch wenn viele Bauern hart um ihre Existenz kämpfen müssen und als Lebensmittel-Produzenten systemrelevant sind, dürfen sie den Bogen des legitimen Protestes nicht überspannen. Wenn sie dazu beitragen, dass hierzulande wie 2018 und 2019 in Frankreich eine radikale Protestbewegung entsteht, werden sich unter deutsche Gelbwesten reichlich Braunwesten mischen. Das dürfen die Bauern als jahrzehntelange Stützen der Demokratie nicht zulassen.

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