Den Grünen war das Regieren in der Ampel-Koalition in ihrem ersten Jahr leichter gefallen als SPD und FDP. Die SPD haderte sichtbar mit der Zeitenwende und der Abkehr von Russland nach dem Angriff auf die Ukraine. Die Liberalen nervte, dass die beiden Partner ihrem Finanzminister Christian Lindner Milliarde um Milliarde aus der Staatskasse zogen.
Doch jetzt ist die Leichtigkeit passé, da es bei der Energiewende ans Eingemachte geht. Der Streit um klimafreundliche Heizungen und Sanierungszwang für Häuser zeigt, wie schwierig es ist, Wirtschaft und Gesellschaft von Öl, Gas und Kohle zu entwöhnen. Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck hat jetzt das erste Mal im Fernsehen bitterlich über seine Koalitionspartner geklagt. Diese nölten prompt zurück. Für die Grünen ist die Lage vertrackt. Ihre Klimaschutzpolitik ist sogar einem Teil der eigenen Wähler zu konsequent, weshalb sie sich zumindest laut Umfragen abwenden.
An beiden Enden nagen die Unzufriedenen an den Grünen
Den Aktivisten von Fridays for Future und den Klimaklebern ist sie wiederum nicht konsequent genug. Die Klimakleber überlegen jetzt sogar, eine eigene Partei zu gründen und diese könnte den Grünen einige Prozentpunkte bei Wahlen abnehmen. Eigentlich wollten die Grünen Volkspartei werden, aber jetzt nagen an beiden Enden die Unzufriedenen an diesem Status. Sie stecken in einer Zwickmühle, der sie kaum entrinnen können. Der Kampf gegen die Erderwärmung ist zwar die überragende Aufgabe dieses Jahrhunderts, aber die selbst gesteckten deutschen Ziele bei grünen Energien, Elektro-Autos und der Sanierung von Gebäuden sind ohne Wirklichkeitsbezug.
Das Reißen der eigenen Ziele dürfte also der ständige Begleiter der Partei in den kommenden Jahren werden. Misserfolge sorgen für Missmut und missmutige Parteien fallen bei den Wählern durch. Ironischerweise gilt das auch für SPD und FDP. Die Freien Demokraten verlieren Wahl um Wahl und die Sozialdemokraten können im Bundestrend nicht vom Kanzlerbonus profitieren. Lachende Gewinner sind Union und AfD. Die Schwäche der Ampel ist aber gleichsam ihre Lebensversicherung. Ein Interesse am Platzen des Bündnisses hat derzeit keine der drei Parteien.