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Kommentar: Die 25-jährige Schrumpfkur bei der Bundeswehr ist vorbei

Kommentar

Die 25-jährige Schrumpfkur bei der Bundeswehr ist vorbei

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    Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen will erstmals neue Stellen für die Bundeswehr schaffen.
    Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen will erstmals neue Stellen für die Bundeswehr schaffen. Foto: Michael Kappeler/dpa

    Erst im Blick zurück offenbart sich das ganze Ausmaß des Schrumpfungsprozesses. Am Tag der Wiedervereinigung vor 26 Jahren hatte die Bundeswehr 585000 Soldaten. Im Zwei-plus-vier-Vertrag wurde eine völkerrechtlich verbindliche Obergrenze von 370000 Soldaten festgelegt. Vor sechs Jahren standen noch 250000 Soldatinnen und Soldaten unter Waffen, heute sind es dagegen nur noch 177077. In einem Vierteljahrhundert hat die Bundeswehr somit zwei Drittel ihres militärischen Personals abgebaut.

    Gleichzeitig gab es damals noch keine Auslandseinsätze außerhalb des Nato-Gebiets, die Landes- und die Bündnisverteidigung waren die einzigen Aufgaben. Heute sind 3400 Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan und in Mali, im Kosovo und in Nordirak, vor der Küste des Libanon und am Horn von Afrika im Einsatz, in Spitzenzeiten waren es sogar fast 10000.

    Auf die Bundeswehr kommen ständig neue Aufgaben zu

    Die Gleichzeitigkeit von permanentem Personalabbau, jahrelangen milliardenschweren Kürzungen des Wehretats, mehreren Struktur- und Neuausrichtungskonzepten sowie immer neuen Auslandseinsätzen glich einer Operation am offenen Herzen, während der Patient gleichzeitig einen Marathonlauf absolvieren muss. Das konnte nicht gut gehen und brachte die Armee an den Rand der Einsatzfähigkeit. Schon seit vielen Jahren beklagen nicht nur der Bundeswehrverband, sondern auch die Wehrbeauftragten der unterschiedlichsten Parteizugehörigkeit die chronische Unterfinanzierung der Armee sowie den eklatanten Mangel an Personal wie Material.

    Die Bundeswehr hält zwar alle notwendigen Fähigkeiten auf dem Boden, in der Luft und zu Wasser vor – aber sie hat von allem viel zu wenig. Und sie lebt, ob bei Panzern, Hubschraubern, Kampfjets oder Fregatten, schon viel zu lange von der Substanz. Hinzu kommen ständig neue Aufgaben. So wird wohl auf dem Nato-Gipfel in Warschau Anfang Juli die Stationierung neuer Einheiten in Polen und im Baltikum zur Sicherung der Ostflanke des Verteidigungsbündnisses beschlossen werden.

    Die Friedensdividene ist aufgebraucht - neue Krisen bedrohen den Frieden

    Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zieht daraus die Konsequenzen und leitet die überfällige Trendumkehr ein. Die Truppe soll nicht weiter schrumpfen, sondern erstmals seit 25 Jahren wieder größer werden. 7000 neue Dienstposten werden geschaffen, der Wehretat steigt bis 2020 von 34 auf 39 Milliarden Euro. So werden dringend zusätzliche Sanitäter benötigt, die geplante Cyber-Einheit zur Abwehr von Hackerangriffen muss IT-Spezialisten anlocken und die Spezialkräfte des Heeres und der Marine, die von den Auslandseinsätzen besonders betroffen sind, sollen aufgestockt werden. Das klingt gut – und ist doch nur die Hälfte dessen, was nach internen Berechnungen tatsächlich benötigt wird. Zudem wird die Armee erst einmal nur auf dem Papier vergrößert, offen ist, ob die Bundeswehr ein derart attraktiver Arbeitgeber ist, dass es auch genügend Bewerber gibt. Schon jetzt sind mehrere tausend Posten unbesetzt.

    Mehr Geld, mehr Soldaten, modernes Gerät. Ursula von der Leyen beendet die 25-jährige Schrumpfkur und bereitet die Truppe auf die neuen globalen Herausforderungen vor, nimmt damit auch die Rolle einer außenpolitischen Führungsmacht an. Die Friedensdividende, die Deutschland nach dem Ende des Kalten Krieges einstreichen durfte, ist aufgebraucht, neue Krisen bedrohen den Frieden, nicht nur in weit abgelegenen Regionen, sondern direkt vor der Haustüre: Ukraine, Syrien, Libyen. Die Armee wird gebraucht, nicht nur zum Brunnenbohren und Schulebauen. Doch das kostet Geld. Der Frieden hat seinen Preis.

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