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Kommentar: Deutschlands Wirtschaft braucht mal wieder einen Ruck

Kommentar

Deutschlands Wirtschaft braucht mal wieder einen Ruck

Stefan Stahl
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    Roman Herzog (CDU) war einst Bundespräsident und forderte, es müsse ein Ruck durch Deutschland gehen.
    Roman Herzog (CDU) war einst Bundespräsident und forderte, es müsse ein Ruck durch Deutschland gehen. Foto: Marcus Brandt, dpa

    Die Warnschüsse für Deutschland mehren sich. Gerade angelsächsische Medien legen den Finger in die deutsche Wunde. So kommen die Wirtschaftsexperten von Bloomberg zum Befund, die Tage Deutschlands als industrielle Supermacht seien gezählt. Die Energiekrise käme dem Todesstoß für viele Betriebe gleich. Die Financial Times merkt nicht weniger alarmistisch an, die Entwicklung der deutschen Wirtschaft gleiche einem Autounfall in Zeitlupe. 

    Ist das nur Schadenfreude über den tiefen Fall des einstigen Musterknaben oder sind die Warnungen berechtigt? Beides trifft zu. In der Wirtschaft verhält es sich wie im Fußball: Wenn Deutschland verliert, dürfen wir nicht mit einfühlsamen Worten anderer Nationen rechnen, zumal Vertreter der Bundesregierung selbst die schlechte Stimmung im Land verstärken. Bundeswirtschaftsminister Habeck rechnet nur noch mit einem Wachstum von 0,2 Prozent in diesem Jahr. Statt die Ärmel hochzukrempeln und aufzuzeigen, wie sich unser Land freistrampeln kann, betätigt sich der Grüne als sonderbares Pessimismus-Orakel, indem er die Lage „dramatisch schlecht“ nennt und düster philosophiert, so könne es nicht weitergehen.

    Die Ampel passt wirtschafts- und finanzpolitisch nicht zusammen

    Ein Bundeswirtschaftsminister muss aber der oberste Bundesoptimist sein, schließlich ist Ökonomie mindestens zu 50 Prozent Psychologie. Dabei kann man Habeck zugutehalten, dass er ein Gefangener der unglückseligen Ampelkoalition ist. Hier kam zusammen, was wirtschafts- und finanzpolitisch nicht zusammenpasst. Die Grünen träumen, auch wenn sie vom Bundesverfassungsgericht zurückgepfiffen wurden, weiter von Milliarden-Investitionen, am liebsten als Subventionsaufbauspritzen. Dazu bedürfte es einer Lockerung der Schuldenbremse. Da spielen FDP und CDU/CSU nicht mit. Zur Ankurbelung der Wirtschaft wäre es also notwendig, Milliarden im Haushalt freizuschaufeln und damit anderweitig einzusparen. Hier müsste die Axt an die üppigen Sozialausgaben angesetzt werden, was aber die SPD zu verhindern weiß. 

    Die Ampelkoalition ist – wirtschafts- und finanzpolitisch betrachtet – Gefangene ihrer verqueren Architektur. Aus der Modernisierungskoalition ist eine Blockade- und Stillstandskoalition geworden, die auf die Stimmung im Land drückt. Doch es müsste dringend wieder Mal ein Ruck durch Deutschland gehen, wie ihn der ehemalige Bundespräsident Herzog auch in Krisenzeiten gefordert hatte. Der Rücker erschien damals in Gestalt des unerschrockenen Sozialdemokraten Schröder. Seinem Parteigenossen Scholz fehlt alles Entrückende. Selbst wenn er den Agenda-Schröder geben wollte, würden ihn neben den Linken in der eigenen Partei grüne und liberale Stimmungsverderber am Loslaufen hindern.

    Deutschlands Energiepolitik muss neu ausgerichtet werden

    Dabei ist die wirtschaftliche Agenda für Deutschland klar: Die Energiepolitik muss neu ausgerichtet werden. Hier ist eine Doppelstrategie unausweichlich: Einerseits sollten Leitungen für den aus dem Norden kommenden Windstrom in Rekordgeschwindigkeit ausgebaut werden. Andererseits gilt es zu prüfen, ob nicht doch Kernkraftwerke wiederbelebt werden können. Zudem muss die Bundesregierung massiv Bürokratie abbauen und es nicht bei Lippenbekenntnissen belassen. Wenn noch die Unternehmens-steuern sinken und Fachkräfte aus dem Ausland geholt werden, könnte doch ein Ruck durch Deutschland gehen. Das Fatale ist nur: An einen solchen Befreiungsschlag glaubt derzeit niemand.

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