Kaum hatte das EU-Parlament am Dienstag das Aus für den Verbrennermotor beschlossen, hagelte es in Deutschland Kritik. Die kam zu Teilen aus der Opposition, was verständlich ist. Sie kam aber auch aus der Bundesregierung. Die FDP legte noch mal nach, forderte erneut den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels). Die Liberalen torpedierten damit den Beschluss an sich und sie düpierten völlig unnötig die Grünen mit ihrer Umweltministerin Steffi Lemke, die das Aus für Verbrenner unterstützt. Es war dies nicht das erste uneinheitliche Vorgehen der Ampel in der EU. Auch bei Themen wie der Bargeld-Obergrenze, der Lohntransparenz oder der Subventionspolitik legten die Koalitionsparteien Wert darauf, jeweils ihre eigene Handschrift durchzusetzen. Deutschland spricht in der Europäischen Union nicht mit einer Stimme und schwächt dadurch zusehends seine Position.
Berlin ist in Brüssel nicht abgemeldet, aber immer weniger gefürchtet. Die Probleme bei den Panzerlieferungen für die Ukraine veranschaulichen das Ausmaß des Autoritätsverlustes. Dutzende Leopard-Panzer sollen dem Land im Kampf gegen die Russen zur Verfügung gestellt werden, so hat es Kanzler Olaf Scholz versprochen. Doch für die besonders schlagkräftigen Leopard 2A6 gibt es derzeit nur die deutsche Zusage zur Lieferung von 14 dieser Kriegsmaschinen, darüber hinaus will lediglich Polen drei solcher Panzer bereitstellen. Verteidigungsminister Boris Pistorius setzte sich am Mittwoch beim Treffen mit seinen Nato-Amtskollegen zwar für weitere Leopard-Panzer ein, erntete aber nur Absagen.
Keine Abstimmung mit Paris: Angela Merkel ging hingegen taktisch vor
Das Kanzleramt unterließ es in dieser schwierigen Phase, sich mit Paris abzustimmen. Gegen das deutsch-französische Tandem ging bei der EU bislang nichts, Scholz‘ Vorgängerin Angela Merkel (CDU) nutzte das taktisch geschickt, wenn es um schwierige Themen ging. Ihr Nachfolger hingegen sieht Deutschland als "Führungsmacht" in Europa. Der SPD-Politiker setzt sich damit dem Vorwurf der Arroganz aus. Außerdem ignoriert er die Befindlichkeiten der stolzen Militärnation Frankreich, deren Staatspräsident Emmanuel Macron von der Sorge getrieben wird, dass Europa "geopolitisch zu verschwinden" und "die Kontrolle über sein Schicksal zu verlieren" droht.
Als Konsequenz aus dem deutschen Verhalten stimmt sich der Élysée-Palast nicht mehr so eng mit dem Kanzleramt ab wie früher. Zuletzt wurde das in der vergangenen Woche deutlich, als Scholz in Paris vorgeführt wurde. Der Kanzler musste hinnehmen, dass der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj zwar nach London und Paris reiste, Berlin aber demonstrativ aussparte. Der deutsche Regierungschef war gezwungen, nach Frankreich zu fliegen und wurde dort erneut mit Macrons Entschlossenheit konfrontiert, Kampfjets in die Ukraine zu liefern. "Unterstützung bis zum Sieg" sicherte Macron Selenskyj zu, Scholz hörte es mit versteinerter Miene. Er hatte gerade erst vor einem "Überbietungswettbewerb" gewarnt, doch Macron nahm darauf keine Rücksicht.
Neuer Atomstreit zwischen Paris und Berlin
Die deutsch-französische Zusammenarbeit verschlechtert sich nicht nur wegen der Waffenlieferungen. So ist nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein neuer Streit über die Atomenergie entbrannt. Paris droht in der Folge damit, die Wasserstoffpipeline H2Med nach Deutschland zu blockieren. Den Ampel-Plänen zum Ausbau der Erneuerbaren Energien würde das einen empfindlichen Schlag versetzen.
Noch ist der deutsch-französische Motor der Hauptantrieb der Europäischen Union. Sollte sich die deutsche Regierung weiter von der europäischen Geschlossenheit und bestehenden Vereinbarungen wie dem Aachener Vertrag entfernen, werden die Fehlzündungen ein bedenkliches Ausmaß annehmen.