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Kommentar: Deutschland schafft es nur im Kriechgang durch die Krise

Kommentar

Deutschland schafft es nur im Kriechgang durch die Krise

Stefan Stahl
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    Wie schafft es Deutschland aus der Krise?
    Wie schafft es Deutschland aus der Krise? Foto: Stefan Sauer, dpa

    Wenn es die berühmten Glaskugeln gäbe, aus denen sich die wirtschaftliche Zukunft lesen lässt, würden sie sicher in China produziert. Dann wäre die Gefahr groß, dass die Lieferketten für die Prophezeiung-Instrumente so massiv gestört sind, dass sie nicht mehr aufzutreiben sind. Wo der einstige Bundesfinanzminister Hans Eichel 2001 versicherte, der Haushalt sei auf Kante genäht, ist uns seit der Corona-Pandemie und der Energiekrise schmerzhaft bewusst geworden: Die Globalisierung ist auf Kante genäht. Hochlohn-Länder wie Deutschland haben in einem naiven Glauben an die segensreiche Hand der internationalen Arbeitsteilung die Produktion wichtiger Güter zu exzessiv an günstige Standorte verlagert.

    EZB erhöht Leitzins im Euroraum auf 2,5 Prozent

    Seit aber die Globalisierung scheppert, klemmt es hinten und vorn: Mal fehlen Chips, mal Kabelbäume, mal Gas – und aktuell Medikamente für Kinder wie Fiebersäfte. Letzteres Defizit ist eine Schande für ein reiches Land wie Deutschland und zeigt deutlich: Unsere Form eines blauäugigen Es-wird-schon-gut-gehen-Kapitalismus steckt in einer fundamentalen Krise.

    Dabei ist derzeit ein interessantes Phänomen der selektiven Wahrnehmung zu beobachten. Es regt sich etwas Zuversicht. Schließlich orakeln renommierte Glaskugel-Forscher (Ifo, Kieler Institut für Weltwirtschaft), nach ruckeligen Wintermonaten könnte es im kommenden Jahr etwas besser als befürchtet laufen. Und weil die Inflationsrate im Euroraum minimal zurückgegangen ist und die Notenbanken die Zinsen nicht mehr so massiv wie zuletzt erhöhen, könnte der Eindruck entstehen, alles werde doch noch gut. 

    Zweckoptimismus hilft nicht weiter

    Und da auch deutsche Technologie-Vorreiter wie Siemens, Bosch oder Carl Zeiss mit guten Zahlen und zuversichtlichen Prognosen aufwarten, halten es mehr Menschen mit dem rheinisch-kölnischen Grundgesetz: „Et hätt noch emmer joot jejange.“ Zuletzt ist aber bei allem sympathischen Zweckoptimismus vieles nicht gut gegangen. Die lange Liste tiefgreifender ungelöster Probleme in und um Deutschland herum wird immer länger: So ist – mit oder ohne Glaskugel – unklar, wie der russische Überfall auf die Ukraine weitergeht. Lenkt Putin irgendwann ein, wird der Diktator gestürzt oder eskaliert er den Konflikt über die

    Vieles scheint möglich zu sein. Doch hierzulande setzt, was psychologisch verständlich ist, Verdrängung ein. Manch einer schöpft eben Zuversicht daraus, dass sich schon so lange die schlimmsten Befürchtungen explodierender Kernkraftwerke und Atombomben nicht erfüllt haben. Wie es in der Ukraine weitergeht, wird auch maßgeblich für die wirtschaftliche Entwicklung im kommenden Jahr sein. Dabei dürfte sich die Inflation von sehr hohen Werten etwas abschwächen, aber auch die Europäische Zentralbank muss die Zinsen noch mehrfach erhöhen, um die Teuerung wirklich spürbar einzudämmen und 2024 in den Griff zu bekommen.

    Die Regierung hat immer noch kein überzeugendes Konzept

    Derweil kommt die deutsche Wirtschaft in den Wintermonaten nur im Kriechgang voran. Eine Mini-Rezession ist nicht auszuschließen. Schlimmeres verhindert der Staat mit Subventions-Milliarden für Energierechnungen. Dabei übertüncht Deutschland zulasten künftiger Generationen das eigene energiepolitische Versagen: Unser Land hat sich viel zu abhängig von russischem Billig-Gas gemacht. Der Entzug der Droge kostet dauerhaft Wohlstand in Deutschland. Da helfen alle Verbeugungen vor Scheichs und ihrem Flüssig-Gas nichts. Die Regierung hat immer noch kein überzeugendes Konzept, wie mit erneuerbarer Energie Industrie-Arbeitsplätze und Wohlstand gesichert werden können.

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