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Kommentar: Deutschland muss sparen – und braucht eine neue Zeitenwende

Kommentar

Deutschland muss sparen – und braucht eine neue Zeitenwende

Rudi Wais
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    Christian Lindner (links) und Olaf Scholz. Der Bundeskanzler hat sich in die stockenden Haushaltsgespräche eingeschaltet.
    Christian Lindner (links) und Olaf Scholz. Der Bundeskanzler hat sich in die stockenden Haushaltsgespräche eingeschaltet. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Den ersten Pflock hat Christian Lindner schon eingeschlagen. Obwohl der US-Konzern Intel wegen der gestiegenen Kosten plötzlich Zuschüsse von zehn Milliarden Euro für den Bau mehrerer Fabriken zur Herstellung von Computerchips in Magdeburg verlangt, will der Finanzminister es bei den verabredeten 6,8 Milliarden belassen. In seinem Etat, sagt er, sei kein Geld mehr übrig. Punkt. 

    Die Erweiterung des Kanzleramtes würde den Bund 800 Millionen Euro kosten

    Ob Lindner diese harte Linie auch in den Gesprächen mit seinen Ministerkollegen durchhält? Noch immer klafft im Haushalt für das nächste Jahr eine Lücke von 20 Milliarden Euro – eine Lücke, die nur zu schließen sein wird, wenn die Koalition alte Besitzstände und neue Projekte wie die elf Milliarden Euro schwere Grundsicherung für Kinder einer schonungslosen Bestandsaufnahme unterzieht. Ein Verzicht auf die abschlagsfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren zum Beispiel, vulgo: Rente mit 63, würde nicht nur zwei Milliarden Euro pro Jahr sparen, sondern auch zigtausend Fachkräfte länger in ihren Betrieben halten. Ein Verzicht auf den Erweiterungsbau des Kanzleramtes, ein noch in Beton zu gießendes Monument der Verschwendung, brächte knapp 800 Millionen Euro – und etwas mehr Bescheidenheit beim Anmieten von Büroflächen durch den Bund nach Berechnungen des Bundesrechnungshofes noch einmal 300 Millionen Euro im Jahr. 

    Mehrere Milliarden Euro ließen sich auch durch eine Entrümpelung der vielen Ausnahmeregelungen bei der Mehrwertsteuer einsparen. Der ermäßigte Satz von sieben Prozent, eigentlich für Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs gedacht, hat sich längst zu einer verkappten Subventionierung ganzer Branchen ausgewachsen und produziert Widersprüche in Serie. Warum, zum Beispiel, gilt für ein Hörgerät der ermäßigte Satz, für eine Brille dagegen der volle von 19 Prozent? Warum wird Tiernahrung niedriger besteuert als Babynahrung - und warum sind Schnittblumen Güter des täglichen Bedarfs und steuerlich privilegiert? Den Mut, diesen Dschungel an Absonderlichkeiten einmal gründlich auszumisten, hatte noch keine Regierung. Wann aber, wenn nicht jetzt, wäre der richtige Zeitpunkt dafür? Nach drei horrend teuren Pandemie- und Kriegsjahren muss Lindner Einnahmen und Ausgaben dringend wieder ins Lot bringen. 

    Noch höhere Steuern für noch höhere Ausgaben?

    Nicht allen Koalitionären aber erschließt sich diese Notwendigkeit. Es wird gemauert, sich weggeduckt und mit dem Finger auf andere gezeigt, als habe nicht jeder im Kabinett die gleichen Probleme. Die Wirtschaft kommt nicht in Tritt, die Steuereinnahmen gehen zurück, doch anstatt unser System der Alles-irgendwie-Besteuerung vom Kopf auf die Füße zu stellen, endet nahezu jede Diskussion über den Abbau von Subventionen reflexhaft bei der Steuerfreiheit für Flugbenzin, dem Dienstwagenprivileg - oder in der Forderung nach noch höheren Steuern zur Finanzierung noch höherer Ausgaben. 

    Die Zeitenwende, die der Kanzler in der Außen- und Sicherheitspolitik ausgerufen hat, müssen Lindner und er nun auch in der Finanzpolitik einleiten. Wie das geht, hat Gerhard Schröder in einer ähnlichen Situation mit seiner berühmten Agenda-Rede gezeigt. Im März 2003 lag die Irak-Krise wie ein Schatten über der Weltwirtschaft, als der Kanzler die Deutschen auf harte Zeiten einstimmte: „Wir werden Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr Eigenleistung von den Einzelnen fordern müssen.“ Die SPD hat es darüber schier zerrissen, für das Land aber war Schröders

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