In Deutschland wird verdrängt, dass die Flüchtlingskrise der Jahre 2015 und 2016 beinahe zum Auseinanderbrechen der EU geführt hätte. Das Misstrauen, das die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrer Politik der offenen Tür vor allem in Osteuropa angerichtet hat, wirkt bis heute fort. Mittlerweile hat sich in den EU-Staaten die Haltung durchgesetzt, dass sich 2015 nicht wiederholen darf, um der neuerlichen Gefahr eines Zerfalls zu begegnen.
Der russische Überfall auf die Ukraine hat Europa bewusst gemacht, wie sehr sich die Staaten des Kontinents brauchen. Vier Millionen Ukrainer suchten bisher Schutz in der Europäischen Union, hinzu kommen Hunderttausende aus dem Nahen Osten, Asien und Afrika. Es ist Zeit für die Europäer, mit dem Spaltpilz Migrationspolitik fertig zu werden und einen tragfähigen Kompromiss zu erreichen.
Ein Paradigmenwechsel in der Zuwanderungspolitik
Dazu gehört auch die Verlagerung der Asylverfahren an die EU-Außengrenzen, also nach Italien, Griechenland, Bulgarien und Polen. Deutschland darf sich dem nicht widersetzen, auch wenn es bedeutet, dass der Traum von einem besseren Leben für Ungezählte an einem Außenposten des reichen Staatenklubs endet. Und Berlin muss die Partner an der Peripherie mit Polizisten, Technik und Personal unterstützen.
Es ist wahr, dass die Europäer die Mauern um sich herum höher ziehen. Es ist auch wahr, dass damit ein Teil seiner Humanität begraben wird. Aber der Erhalt der Union der 27 Länder ist ebenfalls ein hohes Gut. Neben dieser schwierigen Frage der Werte stellt sich die praktische, ob die Schutzsuchenden überhaupt untergebracht und versorgt werden können. Ob es genug Wohnungen, Deutschlehrer und Schulplätze gibt. Deutschland ist bereits wieder an sein Limit gestoßen. Es ist Zeit, zu handeln.