Nach Jahren der Abrüstung hat die deutsche Politik entschieden, wieder Waffen für sich sprechen zu lassen. Die Mehrheit bei SPD, FDP, Grünen und Union ist dafür. Es geht nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie. Zur Begründung für die Aufrüstung dient der Krieg in der Ukraine, und das führt in die Irre. Das Geschehen dort ist schrecklich, der Westen muss reagieren, keine Frage. Die Aufrüstung der Bundeswehr allerdings dauert Jahre, die Debatte hat keinerlei Einfluss auf den Kriegsverlauf. Seriös wäre es gewesen, erst alle Kraft und alles Geld für die Befriedung der Lage aufzuwenden. Die Debatte über eine stärkere Bewaffnung hätte später und mit Abstand geführt werden können.
Begleitet wird die neue Lust auf Waffen von einer verbalen Aufrüstung. Politiker sprechen von einem „Iron Dome“ (einem Raketenschirm) über Berlin. Es wird über Flugverbotszonen phantasiert und einiges mehr. Das ist Kriegsrhetorik, sie bringt nichts und schürt höchstens weitere Aggressionen.
Die Nato zählt, nicht Deutschland alleine
Die Politik malt das Bild von einem in Zukunft so wehrhaften Deutschland, dass Russland jede Lust auf einen Einmarsch vergeht. Auch das ist irreführend. Es kommt auf die Stärke der gesamten Militärallianz und nicht auf die einzelner Nato-Staaten an. Schon gar nicht in Zeiten, in denen Cyberangriffe auf Wasserwerke und Telefongesellschaften mehr Schaden anrichten können als Panzer und Raketen.
Es war die heutige Regierungspartei SPD, die sich in den letzten Jahren gegen das Zwei-Prozent-Ziel der Nato gewehrt hat. Bei den Grünen ging neben vielen anderen Claudia Roth 2016 auf die Barrikaden, als über ein Rüstungsplus von 24 Milliarden Euro diskutiert wurde. Von „unnützer Aufrüstung“ schrieb sie – heute steht eine um 76 Milliarden Euro höhere Summe im Raum.
Meinungen und politische Haltungen können sich ändern. Wenn Deutschland nach Jahrzehnten einer auf Dialog basierten Friedenspolitik wieder den Kriegspfad beschreiten soll, dann ist das allerdings ein gewaltiger Einschnitt, der sorgfältig vorbereitet und diskutiert werden muss. Schnellschüsse, wie sie derzeit abgefeuert werden, schüren Unsicherheiten in einer Bevölkerung, die durch den Ukraine-Krieg ohnehin schon verängstigt ist.
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