Als der informelle deutsche Staatsrat aus Ministerpräsidenten und Bundeskanzler am Dienstagabend zusammensaß, wurde es an einer Stelle richtig ruppig. Die Damen und Herren diskutierten die Neuauflage des 9-Euro-Tickets, nach den Worten von Olaf Scholz (SPD) eine der besten Ideen der Ampel-Regierung. „Olaf, ich möchte nicht, dass Du das Gefühl hast, dass wir Dich über den Tisch ziehen. Aber leider habe ich inzwischen das Gefühl: Du willst uns hier über den Tisch ziehen“, sprach der Thüringer Regierungschef Bodo Ramelow (Linke).
Es ging bei der Zieherei natürlich ums Geld. Die Länder verlangen einen höheren Zuschuss aus den Kassen des Bundes. Der Fahrschein zum Super-Sparpreis ist nicht billig, es geht um Milliarden. Leider ist das 9-Euro-Ticket nur auf den ersten Blick eine gute Idee. Finanziert wurden damit zwischen Juni und August die Wochenendausflüge von Millionen Deutschen – egal ob reich oder arm. Eigentlich sollte die Monatskarte dazu führen, dass Millionen Pendler morgens ihr Auto in der Garage lassen. Das wiederum hat nicht funktioniert, was daran liegen könnte, dass der Staat mittels Tankrabatt gleichzeitig Benzin und Diesel billiger gemacht hat. Vergünstigt wurde der Sprit für alle – egal ob arm oder reich. 9-Euro-Ticket und Tankrabatt haben zusammen zwischen fünf und sechs Milliarden Euro gekostet.
9-Euro-Ticket und Tankrabatt: Kurze Freuden für Verbraucher belasten Haushalt langfristig
Beide Projekte sind symptomatisch für den deutschen Staat, der die Steuern der Bürger und Unternehmen an der falschen Stelle ausgibt. Diese Schaufensterprojekte steigern vielleicht die Wählergunst, sie bringen aber dem Gemeinwesen langfristig nichts. Die Milliarden wären besser in neue Gleise, Straßenbahnen, Busse oder Autobahnbrücken geflossen. Der Mangel und die Mängel sind bekanntlich groß.
Nun könnten Tankrabatt und 9-Euro-Ticket Einzelbeispiele für falsche Prioritäten sein, sie sind es aber nicht. Die Ökonomen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft haben sich die Haushalte des Bundes der vergangenen 21 Jahre angeschaut. Nur ein Viertel des Geldes fließt in produktive Zwecke wie Bildung, Forschung und Infrastruktur. Diese Investitionen versprechen künftigen Wohlstand.
Der Großteil des Etats wird mit 40 Prozent für Soziales aufgewendet, wie der Zuschuss zur Rentenkasse oder die Kosten für die soziale Grundsicherung von Hartz-IV-Empfängern. Diese Ausgaben sind zum Großteil notwendig, aber sie werden durch Schaufensterprojekte aufgebläht, zum Beispiel die Rente mit 63. Deutlich mehr Beschäftigte, als bei ihrer Einführung gedacht wurde, nehmen sie in Anspruch. Was persönlich nachvollziehbar ist, vergrößert den Fachkräftemangel in einer alternden Gesellschaft und erhöht den Bundeszuschuss zur Rentenkasse.
Investitionen in Infrastruktur: Zurück zu den klassischen Staatsaufgaben
Bund und Länder müssen bei ihrer Haushaltspolitik zurück zu den Kernaufgaben des Staates. Bildung, Sicherheit, Verkehrswege, Gesundheit und ein funktionierender Apparat zählen dazu. Damit die Institutionen wieder richtig funktionieren, muss der Staat in den nächsten Jahren mehr aufwenden. Dabei geht es gar nicht um höhere Gehälter für Richter, Lehrer und Krankenschwestern, sondern um zusätzliche Stellen, damit die Arbeitsbelastung sinkt.
Der Anteil der produktiven Ausgaben sollte steigen, der Anteil der konsumptiven Sozialausgaben sinken. Leider tut die Ampel-Koalition das Gegenteil und will kommendes Jahr die Hartz-IV-Sätze deutlich anheben und das Wohngeld für zwei Millionen Haushalte öffnen. Besser wäre, die Leute in Arbeit zu bringen und Sozialwohnungen zu bauen. Beides geschieht nur unzureichend.
Bei steigenden Zinsen wird die Frage nach dem richtigen Einsatz der staatlichen Gelder schärfer diskutiert werden, weil es teurer wird, sich die Probleme auf Pump vom Halse zu schaffen. Brot und Spiele als klassisches Mittel der Politik sind schön, aber ohne eine stabile Basis wird das Staatswesen marode.