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Kommentar: Deutscher Selbstbetrug: Mülltrennung ist kein Ersatz für Müllvermeidung

Kommentar

Deutscher Selbstbetrug: Mülltrennung ist kein Ersatz für Müllvermeidung

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    Die Deutschen trennen ihren Müll sorgfältig: Hausmüll, Bioabfälle, Altpapier und Wertstoffe.
    Die Deutschen trennen ihren Müll sorgfältig: Hausmüll, Bioabfälle, Altpapier und Wertstoffe. Foto: Jens Wolf, dpa

    Jetzt wird es hässlich. Es geht um Gestank, Gift, Maden, die eklige Seite unserer schillernden Konsumgesellschaft und um einen typisch deutschen Selbstbetrug. Werden die Kehricht-Tonnen der Bundesbürger ausgekippt, wird gnadenlos deutlich, dass in der Müllwirtschaft doch ziemlich viel im Eimer ist. Und zwar ganz buchstäblich. Zwar heißt es in schöner Regelmäßigkeit, dass Deutschland Recycling-Weltmeister sei. Zur Wahrheit zählt aber auch: Erst einmal gehört Deutschland europaweit und auch global zu den Spitzenreitern, was die Produktion von Müll betrifft. Jeder Bundesbürger hinterlässt im globalen Maßstab gigantische Mengen an Abfall. Am Ende kommt also trotzdem viel Restmüll heraus, da mögen die Recyclingquoten noch so hoch sein. Mit der Wiederverwertung ist das ohnehin so eine Sache. Es kommt darauf an, wie gezählt wird. Dafür gibt es weltweit keine einheitlichen Verfahren. In den Statistiken deutscher Entsorger gilt etwa Plastik-Müll, der in den Export geht, als recycelt. Mitunter aber landet die Plastikfolie vom Harzer Käse und Schwarzwälder Schinken dann auf illegalen Müllkippen in Malaysia oder in den Weltmeeren.

    Die Wegwerf-Mentalität in den reichen Industrieländern sorgt auf der ganzen Welt für Probleme. Es muss jedem zu denken geben, dass es in Sachen Müllvermeidung in den vergangenen 35 Jahren praktisch keine Fortschritte gegeben hat. Pro Kopf erzeugt jeder Deutsche noch genauso viel Müll, wie im Jahr 1985, als der Grüne Joschka Fischer in Hessen Umweltminister wurde. „Jute statt Plastik“ forderte die erstarkende Umweltbewegung schon damals. Doch das Plastik ist nicht weniger geworden.

    Viele Kommunen haben bei der Müllentsorgung Nachholbedarf

    Lichtblicke gibt es aber durchaus. Bei Altglas, Altpapier oder Metallen werden die Deutschen heute ihrem Ruf als fleißige Mülltrenner gerecht. So hat sich die Abfallmenge, die noch in den Restmülltonnen landet, fast halbiert. Darunter befindet sich aber leider vieles, was da gar nicht hineingehört. Vor allem Küchen- oder Gartenabfälle. Das liegt auch daran, dass Biotonnen noch nicht überall verfügbar sind, viele Kommunen haben Nachholbedarf. Dass Batterien, Leuchtstoff, Farben oder Medikamente nicht in den Hausmüll gehören, muss dagegen jedem klar sein. Wer zu bequem ist, das zu sammeln und bei Gelegenheit an den entsprechenden Sammelstellen abzugeben, nimmt in Kauf, dass das giftige Zeug irgendwann in de Umwelt landet.

    Absoluter Problemfall des Recyclingwesens bleiben Verpackungen aus Plastik. Zwar werfen die Bürger den Plastikabfall meist brav in den gelben Sack oder die gelbe Tonne. Doch von dem Material wird rund die Hälfte „thermisch verwertet“, was nichts anderes bedeutet als verbrannt. Die andere Hälfte gilt offiziell als wiederverwertet. Doch was davon nicht in ferne Länder geht, wird auch nur zum Teil zu neuen Produkten. Und die sind dann nicht sonderlich hochwertig.

    Ab dem kommenden Jahr verbietet der Gesetzgeber Wattestäbchen und Einwegbesteck aus Plastik. Doch das kann nur ein erster Schritt sein. Die Hersteller müssen sowohl die Plastikmenge als auch die Zahl der eingesetzten Kunststoffe reduzieren. In der Corona-Pandemie ist der Trend zu vermeintlich hygienischen Einwegverpackungen aus Plastik sogar noch gestiegen. Mangels Einsicht in der mächtigen Verpackungsindustrie darf der staatliche Druck nicht nachlassen. Zur Linderung der Müllkrise beitragen muss aber auch jeder einzelne Verbraucher. Ob er die Kunststoffpackung mit 70 Gramm Schinken, die hauchdünnen Scheiben jeweils durch Folie getrennt, wirklich in den Einkaufskorb legt, kann jeder selbst entscheiden.

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