In der Ukraine hat das neue Jahr begonnen, wie das alte endete: mit Tod und Zerstörung. Russland bombardiert weiterhin die Infrastruktur des Landes und nimmt auf diese Weise die Zivilbevölkerung ins Visier. Es ist ein einziges gigantisches Kriegsverbrechen. Daran hat auch der Propagandatrick einer „Weihnachtswaffenruhe“ nichts geändert. An der Front herrscht derweil ein blutiges Patt. Im Donbass sterben täglich hunderte Soldaten, ohne dass eine Seite sichtbare militärische Erfolge erzielen könnte.
Deutschland sollte die Lieferung von Kampfpanzern vorantreiben
In dieser Lage wollen nun Frankreich, die USA und Deutschland Späh- und Schützenpanzer liefern. Das ist richtig und überfällig. Die Bundesregierung sollte schnell weitergehen und auch die Lieferung von Kampfpanzern vorantreiben – am besten im europäischen Verbund mit jenen Staaten, die sich längst dazu bereit erklärt haben. Von Finnland über Polen bis Spanien warten viele Regierungen nur auf das Okay aus Berlin.
Und die Diplomatie? Die Rufe nach Verhandlungen sind verständlich. Gerade in Deutschland, wo man nach dem selbst verursachten Grauen des Zweiten Weltkriegs besonders erfolgreich auf Dialog und Versöhnung gesetzt hat. Das Problem ist nur, dass der russische Präsident Wladimir Putin mit seinem neoimperialistischen Angriffskrieg das Fundament für eine Wiederannäherung gesprengt hat. Eine erneuerte West-Ost-Kooperation, die auf Interessenausgleich, Stabilität und letztlich ein freundschaftliches Miteinander abzielt, ist mit Putin undenkbar geworden.
Krieg in der Ukraine: Putin hat alle Brücken hinter sich abgebrochen
Der Kremlchef hat bewusst alle Brücken hinter sich abgebrochen. Er will die Ukraine mit Krieg unter seine Macht zwingen – koste es, was es wolle. „Russland hat gewählt, es gibt keinen Weg zurück“, lautet die offen ausgesprochene Losung in Moskau. Unter diesen Vorzeichen sind alle diplomatischen Initiativen, die nicht auf eine Kapitulation der Ukraine hinauslaufen, zum Scheitern verurteilt. Zumal ein Einfrieren des Krieges Putin nicht befrieden würde. Im Gegenteil: Die imperiale Gier im Kreml würde nur wachsen. Die nächsten Ziele wären dann die Republik Moldau, Georgien oder noch einmal die Ukraine.
Deshalb ist es richtig, über einen offensiven Strategiewechsel nachzudenken. Frei nach der Devise: Mehr Stärke wagen. Das zielt nicht auf einen Regimewechsel in Moskau. Ein Sturz Putins lässt sich von außen nicht erzwingen. Worum es gehen müsste, hat zuletzt Christoph Heusgen skizziert, der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz. Den Menschen in Russland und insbesondere den Eliten müsse „klar werden, dass eine gute Zukunft mit Putin nicht möglich ist“.
Horrorszenario eines Atomkriegs
Die deutsche Debatte krankt daran, dass sich der Gedanke an eine russische Niederlage vor allem mit dem Horrorszenario eines Atomkriegs verbindet. Dabei ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass weitere Rückschläge für Putins Armee zu einem dauerhaften Ansehensverlust des Präsidenten und einem Regimezerfall führen würden. Denn die äußere Aggression kann nicht verdecken, dass Putin den Menschen im eigenen Land immer weniger zu bieten hat. Vor allem keine Idee für eine gute Zukunft.
Wegen Putins retrosowjetischer Politik hat Russland den Anschluss an die moderne Welt verloren. Der Weg zurück in die Gemeinschaft zivilisierter Staaten wird lang und schmerzhaft sein, weil er eine Aufarbeitung der eigenen Verbrechen voraussetzt. Aber es wird der einzige Weg sein, der dieser einst so reichen Kulturnation eine neue Perspektive bietet. Eine stärkere Unterstützung der Ukraine und die Hoffnung auf ein neues Russland sind deshalb zwei Seiten derselben Medaille.