Kein afrikanisches Land besuchte Kanzlerin Angela Merkel häufiger, auch Nachfolger Olaf Scholz war schon da. Früh erkannte die Bundesrepublik 1960 die Republik Niger nach der Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Frankreich an. Von da an gab es Austauschprogramme und Entwicklungshilfe – trotz mehrerer Militärputsche in dem westafrikanischen Binnenland. Kurz: Es gibt nicht viele Länder auf dem afrikanischen Kontinent, mit dem Deutschland so enge Beziehungen pflegt.
Liegt es an dieser Verbundenheit und den Investitionen, dass Berlin klare Warnsignale übersehen hat? Hart traf Deutschland und vor allem Frankreich die Nachricht von dem Putsch der Militärs gegen die gewählte Regierung von Präsident Mohamed Bazoum. Der Coup kam ohne warnende Hinweise westlicher Geheimdienste.
Von Niger als „Stabilitätsanker“ spricht niemand mehr
Sang- und klanglos ist die Hoffnung auf Niger als „Stabilitätsanker“ in der Sahelzone zerstoben. Nun sitzen ausländische Eingreiftruppen fest, darunter ein Kontingent der Bundeswehr. Die Strategie für den Anti-Terror-Kampf, in der Niger ein wichtiger Baustein ist, könnte vor dem Aus stehen. Die EU muss zudem damit rechnen, dass deutlich mehr Migranten versuchen, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen, wenn die Militärmachthaber in Nigers Hauptstadt Niamey den Transit in Richtung Tunesien öffnen sollten.
Ist der Westen unverschuldet in diese Situation gekommen? Mitnichten. Hinweise darauf, dass Niger alles andere als ein Hort der Stabilität ist und im Inneren seit Monaten auf einen Kipppunkt zusteuerte, gab es genügend.
Seht her, Niger ist eine Demokratie, hieß es immer wieder in Berlin. Die Bevölkerung allerdings nahm eine Regierung wahr, der es nicht gelang, Korruption und soziale Not einzudämmen. Doch diese Punkte, die den Staatsstreich erst ermöglicht haben, spielten im Kalkül des Westens kaum eine Rolle. Auch das erklärte Ziel, die Sicherheitslage zu verbessern, wurde trotz großzügiger Finanzhilfen und Ausbildungsprogramme für die Streitkräfte verfehlt. Noch immer operieren islamistische Milizen in der Sahelzone. Darunter leidet die Zivilbevölkerung, die nun der abgesetzten Regierung nicht nachzutrauern scheint.
Wie es jetzt weitergeht, ist unklar. Die EU hat den Stopp der Budgethilfen verkündet und die Zusammenarbeit mit Niamey im Sicherheitsbereich ausgesetzt. Fast schon freudig begrüßt wurde, dass die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas dem nigrischen Militär umgehend mit Sanktionen, ja sogar Gewalt gedroht hat, sollte es nicht in die Kasernen zurückkehren. Ähnliche Ankündigungen gegen die Putschisten in Mali und Burkina Faso blieben jedoch in der Vergangenheit ohne durchschlagende Wirkung. Nervös macht nicht nur die Bundesregierung, dass auf den Straßen Nigers immer mehr russische Fahnen zu sehen sind. Sollte es Moskau wie in Mali gelingen, Teile des Staates zu kapern, käme dies für den Westen einem politischen Gau nahe.
Diktaturen wie China oder Russland hätten leichtes Spiel
In Deutschland mehren sich die Stimmen, die Auslandseinsätze der Bundeswehr generell für gefährlichen Unsinn halten. Ihre Argumente bekommen Schlagkraft durch gescheiterte Missionen in Afghanistan oder Mali. Dennoch ist dieser Ansatz falsch. Diktaturen wie China oder Russland hätten leichtes Spiel. Einsätze zur Stabilisierung und gegen den Terror können sinnvoll sein, sie müssen aber besser vorbereitet und begleitet werden. Und sie müssen ein selbstständiges und selbstbewusstes Afrika zum Ziel haben.