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Kommentar: Der Wahlkampf wird für die Freien Wähler zur Gratwanderung

Kommentar

Der Wahlkampf wird für die Freien Wähler zur Gratwanderung

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    Der Wahlkampf wird für die Freien Wähler zur Gratwanderung
    Der Wahlkampf wird für die Freien Wähler zur Gratwanderung Foto: Sven Hoppe/dpa-Pool, dpa

    Das große Rätselraten in den Parteizentralen in München hat begonnen. Wie wird sich die Flugblatt-Affäre um Hubert Aiwanger, den bayerischen Wirtschaftsminister und Chef der Freien Wähler, auf die Landtagswahl am 8. Oktober auswirken?

    In den ersten Umfragen deutet sich an, dass zwei kleine Parteien von der Affäre profitieren könnten: die Freien Wähler und die AfD. Bisher weiß zwar niemand, ob die aktuellen Befunde der Meinungsforscher nur kurzfristige Effekte oder einen echten Trend abbilden. Aber die Ergebnisse reichen allemal, um sämtliche Alarmglocken klingeln zu lassen – vor allem bei der CSU.

    Affäre um Hubert Aiwangers Flugblatt: Der Schaden war schon da

    Markus Söder war in einer höchst misslichen Lage. Als Ministerpräsident musste er darauf achten, dass das Ansehen Bayerns nicht weiter beschädigt wird. Er konnte nicht ungeschehen machen, was sein Vize Aiwanger im Umgang mit der Flugblatt-Affäre in den jüdischen Gemeinden und darüber hinaus angerichtet hatte. Der Schaden für die Erinnerungskultur war schon da.

    Als Parteichef musste Söder ins Kalkül ziehen, dass eine Entlassung Aiwangers als Minister aufgrund einer unbefriedigenden Beweislage zu weiteren Solidarisierungseffekten geführt hätte – zum Nachteil der CSU, aber auch zum Schaden der politischen Kultur im Freistaat. Selbstverständlich war da, wie ihm Grüne, SPD und FDP vorwerfen, eine gehörige Portion Parteitaktik mit dabei. Aber eben nicht nur. Es galt auch, die Stimmung im Land zu beachten.

    Aiwanger oder die AfD?

    Die "Hubert, Hubert"-Rufe in den Bierzelten sind zweideutig. Aiwanger deutet sie als "Vertrauensbeweis" seiner Anhänger, als Unterstützung für einen einfachen Mann aus dem Volk, der zu Unrecht unter Verdacht genommen wurde. Doch wer bei den Auftritten Aiwangers genauer hinhört, der muss zur Kenntnis nehmen, dass da nicht wenige Menschen sitzen, für die es bei dieser Landtagswahl nur noch um eine Frage geht: Aiwanger oder AfD?

    Welche Gefechte rechts von ihr gefochten werden, könnte der CSU egal sein. Es kann ihr aber nicht egal sein, wenn die Wählerschaft insgesamt weiter nach rechts rückt, weil sie als Volkspartei auch in der bürgerlich-liberalen Mitte und vor allem in den Städten keine weiteren Wähler verlieren will. Die CSU wird zwar – ob mit 36 oder mit 41 Prozent – auch nach der Wahl die bestimmende Kraft in Bayern bleiben. Für das Selbstverständnis der Partei aber wären nach dem historisch schlechten Ergebnis von 37,2 Prozent im Jahr 2018 weitere Stimmenverluste nur schwer zu verkraften. Deshalb will Söder am liebsten gar nicht mehr über die Affäre reden.

    Applaus von der falschen Seite

    Grüne, SPD und FDP dagegen werden versuchen, die Causa Aiwanger im Gespräch zu halten, um ihre Anhänger zu mobilisieren. Dass sie damit bei der insgesamt miesen Stimmung über die Ampel-Regierung in Berlin nennenswert punkten, ist allerdings nicht zu erwarten. Allen Grund nervös zu sein hat dagegen die AfD. Sie hat zwar in einigen Umfragen zulegen können, ist aber in Bayern längst nicht so stark wie andernorts. Der besonders harte Ton, den sie gegenüber den Freien Wählern anschlägt, spricht Bände. Die AfD diffamiert Aiwanger und seine Partei als "Wurmfortsatz der CSU".

    Und die Freien? Sie verstehen sich selbst als Partei der Mitte, werden aber seit der Flugblatt-Affäre und Aiwangers Auftritt bei der Demo in Erding als eindeutig rechts wahrgenommen. Für sie wird der Wahlkampf zu einer gefährlichen Gratwanderung. Applaus von der falschen Seite trägt zumeist nicht lange.

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