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Kirchenaustritte 2022: Frust der Bistürmer führt nicht weiter

Kommentar

Der Frust der Bistümer über die Kirchenaustritte führt nicht weiter

Daniel Wirsching
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    Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki am Ostersonntag: Gegen ihn wird wegen des Verdachts des Meineides und der falschen Versicherung an Eides Statt ermittelt.
    Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki am Ostersonntag: Gegen ihn wird wegen des Verdachts des Meineides und der falschen Versicherung an Eides Statt ermittelt. Foto: Henning Kaiser, dpa

    In deutschen katholischen Bistümern ist das Entsetzen vielerorts einer Sprachlosigkeit gewichen, Frust und Resignation machen sich breit. Was sollen Kleriker oder Ehrenamtliche auch zu den immer neuen Austrittsrekorden sagen? Was zu Reaktionen, die sie in Internet-Kommentarspalten lesen können: Dass es noch zu wenige Austritte gebe, dass das "diesem Verein" zu Recht geschehe?

    Die Zeit des Beteuerns jedenfalls ist längst vorbei, die Zeit der großen Worte auch. Es ist nicht lange her, da sprach ein Bischof von der Notwendigkeit von "mutigen Veränderungen in den eigenen Reihen". Die Realität war und ist eine andere. Veränderungen, die einige vielleicht vom Kirchenaustritt abhalten könnten, lassen seit Jahrzehnten auf sich warten oder werden als nicht mutig genug wahrgenommen – so sie überhaupt wahrgenommen werden. Selbst bei engagierten Gläubigen ist das berühmte Fass derart angefüllt, dass es ein Streit wie der über den Synodalen Ausschuss schnell zum Überlaufen bringen kann. Drei konservativ-katholische bayerische Bischöfe und der Kölner Kardinal Woelki hatten, gegen ihre 23 Mitbrüder, jenes Gremium ausgebremst, in dem Reformbeschlüsse weiterverfolgt werden sollten. Und erst am Dienstag durchsuchten Ermittler Objekte im Erzbistum Köln – Woelki wird des Meineids verdächtigt.

    Die Kirche gibt ein verheerendes Bild ab: reformunfähig, erstarrt, zerstritten, unglaubwürdig

    Es gab bereits zahlreiche Tiefpunkte, doch es geht immer noch tiefer. Das Bild, das "die" Kirche abgibt, ist verheerend: reformunfähig, erstarrt, zerstritten, unglaubwürdig, irgendwie dubios – ein "Verein" eben; einer, der sich auf Gott beruft. Zu der zu erheblichen Teilen selbst verschuldeten Krise kommt der fortschreitende Prozess der Säkularisierung, der Rückgang der Religiosität. Die katholische Kirche in Deutschland, und mit ihr die evangelisch-lutherische, befindet sich auf dem nicht mehr aufhaltbaren Weg von der "Volkskirche", die gesellschaftsprägend war, zu einer Gemeinschaft von Gläubigen, deren Zukunft ungewiss ist.

    Damit muss sie umgehen, und man kann nur hoffen, dass sie keine Kirche des "heiligen Rests" wird, kein Klub von Traditionalisten, die froh sind über das "Gesundschrumpfen" und die genau zu wissen meinen, was der rechte Glaube sei. Denn Kirche ist nicht ausschließend, im Gegenteil.

    Das Engagement der katholischen Kirche und die Angebote von Pfarrgemeinden werden gebraucht und geschätzt

    Unter dem Eindruck der Austrittszahlen sind Sprachlosigkeit, Frust und Resignation nachvollziehbare Reaktionen. Allerdings hat die katholische Kirche nach wie vor eine immense Bedeutung für Gesellschaft und Einzelne. Ihr karitatives Engagement oder die Angebote von Pfarrgemeinden werden gebraucht und geschätzt, auch von Ausgetretenen oder Nicht-Gläubigen. Kirche ist mehr als eine skandalträchtige Institution im Niedergang und oftmals dort, wo viele sie nicht erwartet hätten. Sogar Gottesdienste können gut besucht sein, finden Priester und Diakone eine (auf-)richtige Ansprache und gelingt es ihnen, die Frohe Botschaft mit Leben zu füllen.

    Was das für Kleriker und Ehrenamtliche heißt, die diese Kirche (noch) mitgestalten wollen? Sie sollten konsequent alles versuchen, um vor Ort "da" zu sein – für alle, Nicht-Mitglieder eingeschlossen. Nur so kann wieder Vertrauen entstehen, nur so findet Kirche wieder Gehör. Und dies müsste ebenso konsequent durch die "Amtskirche" unterstützt werden. Die Herausgeber einer Studie zum Thema Kirchenaustritt formulierten es wie folgt: Eine Organisation verändere ihr Sein nur im Tun. Auf ein päpstliches Zauberwort sollte man dabei besser nicht warten.

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