Dieser Rumms hat gesessen: Eine Woche nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes blicken die Parteien der Ampelregierung konsterniert auf den Scherbenhaufen, der sich vor ihnen ausbreitet. Es ist ein historischer Schritt, dass nun eine Art „Shutdown“ nach amerikanischem Muster durchgezogen werden muss. Die Nerven sind angespannt, ein Schuldiger muss ausfindig gemacht werden – es ist wahlweise die Opposition oder der eigene Koalitionspartner. Der Übergang ist inzwischen ohnehin fließend. Dass Wirtschaftsminister Habeck nun der Union als Klägerin die Verantwortung zuschieben will, ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten. Schon im Ringen um das Heizungsgesetz hat er versucht, berechtigte Kritik als kleinliche Mäkeleien abzutun. Das ist eines Ministers unwürdig. Die Fehler, daran gibt es nichts zu rütteln, hat die Regierung selbst gemacht – und sonst niemand.
Doch die politische Gereiztheit ist leicht zu erklären: Längst geht es nicht mehr nur darum, wie nun angesichts eines Milliardenlochs wichtige Zukunftsthemen finanziert werden sollen, sondern auch darum, was eigentlich aus dieser Regierung werden soll. Es hatte sich zum unguten Muster der vergangenen Jahre entwickelt, dass beinahe jedes Thema nur deshalb zu einem halbwegs guten Ende geführt werden konnte, weil ein bequemes finanzielles Polster als Schallschlucker gegen das Dauergezänk diente. Statt die eigene Politik zu erklären und die Menschen von der Notwendigkeit von Entscheidungen zu überzeugen, wurde der Geldbeutel gezückt. Dabei sind SPD, Grüne und FDP einer gewaltigen Fehlannahme aufgesessen: Obwohl die Ampel mit Geld nur so um sich warf, wird sie von einem größer werdenden Teil der Bevölkerung als Gefahr für die Zukunft des Landes gesehen. Zugleich wurde die Wunschliste immer länger: Branche um Branche rief nach finanzieller Hilfe, der Bau, die Industrie, die Gastronomie, die Energiewirtschaft. Branche um Branche wurde bedient. Doch mit gestaltender Politik hat das nur wenig zu tun. Im Gegenteil. So manche schmerzhafte, aber notwendige Strukturveränderung wurde auf diese Weise verzögert, um die eigene Klientel nicht zu verärgern.
Bundeshaushalt: Die Gießkanne ist kein politisches Instrument
Doch wer sich selbstbewusst als Fortschrittskoalition betitelt, der muss eine eigene Idee haben, welche Prioritäten er setzt. Der muss den Mut finden, den Menschen zu sagen, dass es Klimaschutz nicht umsonst geben wird. Der muss aufhören, eine Politik mit der Gießkanne zu machen, bei der der Geldregen auf die Reichen genauso niedergeht wie auf die Armen. Längst mahnen Wirtschaftsexperten, dass die Liste der Subventionen geradezu im grotesken Widerspruch steht zu den gleichzeitigen Millioneninvestitionen in den Klimaschutz: ein vergünstigter Steuersatz auf Fleisch, ein vergünstigter Steuersatz auf Diesel – zusammengerechnet entsteht so ein Milliardenposten, der eine Politik, die „grün“ sein will, ad absurdum führt.
Natürlich gab es schon einmal leichtere Zeiten, solche Kurswechsel zu vollziehen. Die Coronakrise ist noch längst nicht verdaut, der Krieg in der Ukraine und die Folgen für die deutsche Energieversorgung bleiben ein Problem. Und natürlich braucht die Politik gerade jetzt einen gewissen finanziellen Gestaltungsspielraum, um die Wirtschaft nicht abzuwürgen oder die Gesellschaft gänzlich gegen die Notwendigkeiten einer Klimapolitik aufzubringen. Schon jetzt hinkt Deutschland in Sachen wirtschaftlicher Erholung seinen europäischen Nachbarn deutlich hinterher. Wo in Frankreich beherzt investiert wird, greift in Deutschland die Schuldenbremse.
Sind Neuwahlen jetzt unausweichlich?
Leider ist von politischer Einsicht in Berlin bislang nichts zu sehen. Es ist zu befürchten, dass die Jahre bis zur Bundestagswahl 2025 von einem Stillstand geprägt sein werden, der nur eines zur Folge haben wird: dass Entscheidungen verschleppt und für künftige Generationen nur noch teurer werden. Der Regierung fehlt die Kraft zum Neuanfang. Ob Neuwahlen der bessere Weg wären? Es wäre zumindest der ehrlichere. Die harte Wahrheit ist leider: Gewinner wäre vor allem die AfD.