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Kommentar: Der einstige Glanz verblasst: Niemand wartet auf Deutschland

Kommentar

Der einstige Glanz verblasst: Niemand wartet auf Deutschland

Stefan Lange
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    Olaf Scholz ist gerade zu Besuch in Indien.
    Olaf Scholz ist gerade zu Besuch in Indien. Foto: Sondeep Shankar, Imago

    Als Olaf Scholz am Wochenende Kurs Richtung Indien nahm, wurde dem Kanzler beim Anflug auf Neu-Delhi aus der Vogelperspektive vor Augen geführt, was Größe ist. Die indische Hauptstadt zählt mehr als 28 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner und wird nur noch von Tokio übertroffen. Deutschland ist ein Zwerg im internationalen Vergleich und konnte das bislang durch Anstrengungen im Bereich von Wirtschaft und Kultur mehr als wettmachen. In den letzten Jahren ist das Land im Globalisierungs-Wettlauf jedoch immer weiter nach hinten durchgereicht worden. Die Verzwergung schreitet voran, die Entwicklung ist Besorgnis erregend.

    Deutschland ist kein Spitzenstandort für die Wirtschaft

    Die Größe einer Hauptstadt ist natürlich für einen Vergleich nicht wirklich ausschlaggebend. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl ist der Anteil Deutschlands am Welthandel immer noch groß. Allerdings konzentriert sich der Großteil des Außenhandels auf wenige Unternehmen und einzelne Warengruppen, und selbst hier nehmen die Einschläge zu.

    Deutschland kann mit Spitzenstandorten in Nordamerika, Westeuropa und Skandinavien kaum noch mithalten, lautet das niederschmetternde Ergebnis des jüngsten ZEW-Länderindex – eine verlässliche Erhebung, die regelmäßig von der Stiftung Familienunternehmen in Auftrag gegeben wird. Im Vergleich von 21 Industriestaaten ist Deutschland auf Platz 18 abgerutscht. Wer’s nicht glaubt, kann auf andere Warnsignale schauen. In China, einst ein Absatz-Garant, werden deutsche Autobauer zunehmend von der heimischen Konkurrenz abgehängt.

    Der deutsch-französische Motor läuft unrund

    Während andere Staaten in Infrastruktur investieren oder ihr Steuersystem reformieren, kommt Deutschland nicht voran. Die deutsche Politik beruft sich gerne darauf, dass sie die letzten Jahre im Krisenmodus habe operieren müssen. Corona jedoch hatte die ganze Welt im Griff. Andere Länder lernten daraus, hierzulande gibt es immer noch keinen Plan für den Umgang mit einer Pandemie.

    Andere Länder verlassen sich längst lieber auf sich selbst als auf Deutschland. Die Isolation in der Europäischen Union wächst, der deutsch-französische Motor läuft unrund. Im Ukraine-Krieg hat die Bundesregierung Leopard-Panzer versprochen, erfährt aber nur wenig Unterstützung. Die deutsche Hilfsbereitschaft werde zwar durchaus wahrgenommen, urteilte der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen. Der erfahrene Diplomat erklärte aber auch: "Überall hat man das Gefühl, dass Deutschland da nicht in Führung ist, sondern zögerlich hinterherhinkt. Da würde man sich - das hört man von allen Partnern - eine stärkere Rolle Deutschlands wünschen."

    Mehr Fleiß, weniger Work-Life-Balance

    Als die Kabinettsmitglieder Svenja Schulze und Hubertus Heil letzte Woche in Afrika auf die Suche nach Fachkräften gingen, stießen sie überall auf freundliches Interesse. Doch viele Afrikanerinnen und Afrikaner gehen lieber in Länder, in denen flächendeckend englisch gesprochen wird und die Visavergabe nicht bis zu zwei Jahre dauert.

    Die Ampel-Koalition ist gerade dabei, den letzten Aktivposten zu verspielen. Bislang war die Staatsverschuldung vergleichsweise gering, die Krisen konnten mit Milliarden-Summen zugeschüttet werden. Das Geld jedoch wird weniger, der Koalitionsstreit bei der Aufstellung des Haushalts für 2024 zeigt das deutlich.

    Man wolle sich nicht nur auf sich selbst beschränken, sondern die Potentiale der Welt gemeinsam nutzen, hat sich Kanzler Scholz gegen eine "Deglobalisierung" ausgesprochen. Recht hat er, der Zug ist ohnehin nicht aufzuhalten. Deutschland kann noch den Anschluss halten - wieder mehr auf Fleiß und weniger auf Work-Life-Balance setzen zum Beispiel -, sollte sich beeilen und aufspringen. Die anderen Länder warten nicht.

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