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Kommentar: Der Beitritt der Ukraine zur EU ist mit großen Gefahren behaftet

Kommentar

Der Beitritt der Ukraine zur EU ist mit großen Gefahren behaftet

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    Er will sein Land in die EU führen: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen.
    Er will sein Land in die EU führen: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Foto: Adam Schreck, AP

    Mit dem Blut ihrer Männer und Frauen verteidigt die Ukraine die Freiheit Europas. Der Klang solcher Worte war uns fremd geworden. Heldenmut und Heldentod glaubte Deutschland nicht mehr nötig zu haben. Aus ihrem Opfergang – noch so ein altes Wort – leiten die

    Damit verbinden sich drei Hoffnungen: 1. Wechsel aus dem Machtbereich Russlands in den Machtbereich des Westens 2. Eine bessere ökonomische Entwicklung 3. Die Beistandspflicht der 27 EU-Mitgliedsländer, sollte in Moskau ein neuer Krieg geplant werden.

    Was bekommen die Verteidiger Europas?

    Weil auch Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock die alten Tugenden rhetorisch wieder aufnahmen und die Ukrainer zu Verteidigern Europas erklären, ist es für die Bundesregierung schwierig, den Wunsch abzuschlagen.

    Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bei einem Besuch im Kriegsgebiet in der Ukraine.
    Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bei einem Besuch im Kriegsgebiet in der Ukraine. Foto: Andreas Stein, dpa

    Dennoch kann sich in der deutschen Staatsspitze niemand für einen EU-Beitritt als Belohnung für das Blutopfer erwärmen – und dafür gibt es gute Gründe. Die Ukraine liegt im Überlappungsbereich zweier Einflusszonen, einerseits der russischen, andererseits der amerikanischen. Die bestehende europäische Friedensordnung ist deshalb zusammengebrochen, weil Russlands Präsident Wladimir Putin die Ukraine mit roher Gewalt unter Kontrolle bringen will.

    Zuvor bestand in Europa der Irrglaube, es gäbe keine Einflusszonen mehr nach dem Zusammenbruch des Ostblocks. Dieser Irrglaube übersah, dass Europa selbst Teil der amerikanischen Einflusszone war und der Kampf um Vorherrschaft nur aufgrund der Schwäche Russlands nach dem Ende der Sowjetunion ruhte.

    Die Amerikaner wollen Putin Schwächen

    Für die Zukunft der Ukraine sind das düstere Aussichten. Denn alles außer einer totalen Niederlage Russlands belässt das Land in dieser umkämpften Zwischenzone. Die USA rüsten die Ukraine deshalb mit Waffen und Geld aus, weil sich Russland an der vermeintlich leicht zu schlagenden Beute verschlucken soll. Die russische Armee soll bei dem Feldzug so viele Soldaten und Kriegsgerät wie möglich verlieren, um Putin die Mittel für andere Störaktionen im Nahen Osten oder Afrika zu nehmen.

    Wenn der Krieg also damit endet, dass Russland einen Teil des Nachbarlandes besetzt hält, was derzeit wahrscheinlich ist, dann besteht immer die Gefahr einer neuerlichen Eskalation. Die Europäer würden sich damit einen brodelnden Konflikt in ihren Staatenklub holen, was nicht in ihrem Interesse liegen kann.

    Teile des Landes sind völlig zerstört.  Ein beschädigtes Gebäude in Mariupol.
    Teile des Landes sind völlig zerstört. Ein beschädigtes Gebäude in Mariupol. Foto: Victor/XinHua, dpa

    Gegen eine schnelle Mitgliedschaft spricht auch, dass die dafür gültigen Prinzipien der Kopenhagener Kriterien außer Kraft gesetzt werden müssten. Selbst unter normalen Bedingungen würde es Jahre dauern, bis die Ukraine das gemeinschaftliche EU-Recht in nationales Recht übertragen hätte. Außerdem kann ein halb-zerstörtes Land keine Wirtschaft haben, die dem EU-Wettbewerbsdruck standhielte. Und ob die ukrainischen Oligarchen nach dem Schweigen der Waffen freiwillig auf ihre politische Macht verzichten, ist zweifelhaft.

    Eine Perlenschnur von Pufferstaaten

    Die Europäer könnten natürlich ihre eigenen Bedingungen für nichtig erklären und die Ukraine in die eigenen Reihen aufnehmen, um sie von Putin wegzuziehen. Gleiches könnte dann mit Moldawien und den Ländern des Westbalkans geschehen. All diese Staaten erfüllen die Kopenhagener Kriterien nicht. Wenn sich die EU aus geostrategischen Gründen dazu entscheidet, die eigenen Ränder stärker an sich zu binden, müsste sie bereit sein, diese Länder mit viel Geld dauerhaft zu subventionieren. Sie müsste auch bereit sein zu akzeptieren, dass Politik dort nicht nach dem Brüsseler Lehrbuch über demokratische Staatskunst gemacht würde. Die Probleme dort wären dann Probleme der Europäer.

    Aus all diesen Gründen ist es für die Europäer besser, der Ukraine, Moldawien, Georgien und Bosnien-Herzegowina die Aufnahme in eine erweiterte politische Gemeinschaft anzubieten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat diesen Vorschlag kürzlich bei einer Rede im Europäischen Parlament gemacht. Im Osten des Kontinents würde damit eine Schnur von Pufferstaaten gebildet, die eng an die EU gebunden wären, ohne Mitglied zu sein. Was für die Europäer besser wäre, wäre für die Ukrainer eine herbe Enttäuschung. Sterben für eine halbe Mitgliedschaft in der europäischen Familie ist kein schöner Heldentod. 

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