Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Kommentar: Der Bahn-Chef braucht jetzt einen Erfolg oder er muss gehen

Kommentar

Der Bahn-Chef braucht jetzt einen Erfolg oder er muss gehen

    • |
    • |
    Der Bahn-Vorstandsvorsitzende Richard Lutz führt den Konzern seit sieben Jahren. Die Lage des Unternehmens hat sich unter seiner Ägide verschlechtert.
    Der Bahn-Vorstandsvorsitzende Richard Lutz führt den Konzern seit sieben Jahren. Die Lage des Unternehmens hat sich unter seiner Ägide verschlechtert. Foto: Patrick Pleul, dpa

    „Vergessen Sie alles, was Sie über Deutschland zu wissen glauben“, ätzten die Reporter ausländischer Zeitungen nach Bahn-Fahrten während der Fußball-EM. Der Glaube an die vormals unter deutsche Tugenden abgespeicherten Eigenschaften Pünktlichkeit, Verlässlichkeit und Effizienz wurde durch ungewollte Abenteuerreisen mit dem bundeseigenen Schienenkonzern erschüttert. Das Bild des Landes bekam hässliche Flecken verpasst.

    Dabei hatte sich die Bahn intensiv auf das Großereignis vorbereitet und versagte dennoch. Bahnchef Richard Lutz erklärte zwar, dass das Unternehmen mit dem Erreichten nicht zufrieden sei, doch ein ehrliches Eingeständnis eigener Fehler ist von ihm nicht zu hören. Das Chaos während der EM zeigt exemplarisch, dass das Unternehmen in schwacher Verfassung ist. Es taumelt regelrecht.

    Deutsche Bahn: Enttäuschende Zahlen im Kerngeschäft

    In den ersten sechs Monaten fuhren die Lokomotiven einen Verlust von über einer Milliarde Euro ein. Alle rollenden Abteilungen sind in den roten Zahlen. Dass der Verlust nicht noch größer ausfällt, liegt – Ironie der Sache – an der konzerneigenen Großspedition Schenker mit ihren Lkw. Die Bahn beherrscht ihr Kerngeschäft – den Transport von Passagieren und Gütern auf Gleisen – nicht mehr. 

    Lutz steht seit sieben Jahren an der Spitze des Vorstands, gehört dem Management seit 2010 an. Unter seiner Ägide hat sich der Zustand der Bahn verschlechtert statt verbessert. Richtig ist, dass der Bund als Eigentümer die Schiene vernachlässigte und über Jahrzehnte zu wenig in Gleise, Loks und Waggons investiert hat. Aber spätestens seit 2019 ist das anders. Die Bahn hat viele Milliarden zusätzlich bekommen. Das Dilemma ist natürlich, dass es dem Fahrplan nicht guttut, wenn im Netz mehr gebaut wird. Um bei der EM im Takt zu bleiben, hatte der Vorstand jedoch extra Baustellen nach vorn gezogen und mehr Züge eingesetzt. Dennoch ging während des Turniers zu viel schief. Der Vorstand hatte seinen Laden nicht im Griff.

    Nun soll die Sanierung der am stärksten benutzten Trassen das Ruder herumreißen. Einen Tag nach dem Endspiel begann die Sanierung der maroden Teilstrecke zwischen Frankfurt und Mannheim. Bis Jahresende werden die 70 Kilometer generalüberholt. Wenn das nicht funktioniert und in einem Desaster endet wie der Bahnhof Stuttgart 21, dann ist der Bahnchef nicht mehr zu halten. Dann muss er gehen, es ist seine letzte Chance.    

    Diskutieren Sie mit
    6 Kommentare
    Robert Miehle-Huang

    Der Bahnchef soll jetzt als Sündenbock für 12 Jahre CSU-Misswirtschaft herhalten. Soso…

    Klara Rasper

    Sehe ich aehnlich. Eine Darstellung der Lage nach Merkel waere mindestens gefordert, um die Arbeit des jetzigen Vorstand einschaetzen zu koennen. Die vor einiger Zeit berichteten Boni trotz schlechter Bahnleistung finde allerdings auch unangebracht.

    |
    Helmut Eimiller

    Unter Bundeskanzler Gerhard Schröder gab es die Verkehrsminister Franz Müntefering, Reinhard Klimmt, Kurt Bodewig und Manfred Stolpe. Dies bedeutet im Schnitt blieb jeder Verkehrsminister ein bisschen mehr als zwei Jahre im Amt. Ich kenne keine Institution, der es gutgetan hatte, wenn alle zwei Jahre ein Neuer die Führung übernahm. Hinzu kommt, dass drei davon bei Amtsantritt keine ausgewiesenen Verkehrsexperten waren. (Müntefering war Gewerkschaftssekretär, Klimmt ist Buchautor und Kolumnist im Bereich Literatur, Manfred Stolpe war Kirchenjurist.)

    Helmut Eimiller

    Günter Ederer beschrieb bereits 2017 unter achgut.com (Achse des Guten) im Artikel „Warum die Deutsche Bahn komplett vom Gleis ist“ die schlimmen Zustände bei der Bahn. Die Kapitelüberschriften lauten: Organisierte Geldvernichtung Linksgrüne Romantiker Aus dem Repertoire der Satiriker Japanische Privatbahnen fahren Gewinne ein. Schlusssatz: „Für die Bahn AG bleibt der Steuerzahler zuständig - und der ist weder bei den Anteilseignern noch bei den Arbeitnehmern im Aufsichtsrat vertreten.“ Und wo sollen da kurzfristig Erfolge herkommen, wenn der Bahn-Chef für Lobbyarbeit Bonuszahlungen erhält? („Interessant aber sind die Voraussetzungen, die an eine Bonuszahlung von 500.000 Euro geknüpft sind: Mindestens vier parlamentarische Runden mit EU-Politikern, zehn Treffen mit Spitzenbeamten der Bundesländer, regelmäßige Treffen mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann (wegen Stuttgart 21).)

    Helmut Eimiller

    Die DB AG ist ausweislich der Firmierung eine Aktiengesellschaft. Ich weise deshalb darauf hin, weil unser Bundesfinanzminister offensichtlich der Meinung ist, mit Aktienbesitz könne man die Finanzierungsprobleme der Rentenversicherung lösen. Mein Vorschlag deshalb an Herrn Lindner: Wenn Sie schon nicht von Ihrer Idee abzubringen sind, kaufen Sie dann aber zumindest nur Aktien von Gesellschaften, in denen das kaufmännische Denken die Richtung vorgibt. In solchen Unternehmen werden notwendige Investitionen bestimmt nicht über viele Jahre hinausgezögert.

    Josef Menigat

    Bei aller Wertschätzung für die journalistische Arbeit: Es werden immer nur Köpfe gefordert, nie aber Hintergründe analysiert. Und fast immer ist der selbsternannte CSU-Bahnexperte Lang an vorderster Front mit weisen Sprüchen dabei. Wer Missstände anspricht und beseitigen will, sollte auch Alternativen benennen. Wer soll - oder besser - will denn den Job des Bahnchefs übernehmen und dabei seinen guten Ruf aufˋs Spiel setzen? Kann überhaupt ein Einzelner jahrelange Versäumnisse beseitigen? Ich komme zu dem Schluss, dass das Gehalt (inkl. Boni) des Bahnchefs eine Art „Schmerzensgeld“ ist, um damit alle Angriffe, die auf ihn einprasseln, auszuhalten!

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden