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Kommentar: Der Ausstieg aus der Atomkraft hinterlässt eine Lücke

Kommentar

Der Ausstieg aus der Atomkraft hinterlässt eine Lücke

Michael Kerler
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    Wird bald abgeschaltet: Atomkraftwerk Gundremmingen
    Wird bald abgeschaltet: Atomkraftwerk Gundremmingen Foto: Bernhard Weizenegger

    Am Silvestertag geht eine Ära zu Ende. Steuerstäbe werden zwischen die Brennelemente eingefahren, das Atomkraftwerk Gundremmingen geht endgültig vom Netz. Die Dampfwolken über den Kühltürmen verschwinden. Seit 1966 hat das Kraftwerk Strom produziert und Schwaben zum Atomstandort gemacht. Ein großer Teil des Strombedarfs Bayerns ist hier gedeckt worden. Der Atomausstieg in Deutschland ist in großen Teilen der Bevölkerung Konsens. Es gibt gute Gründe dafür. Sie reichen von den Risiken des Betriebs hin zur bisher ungelösten Frage, wo die hochradioaktiven Abfälle eines Tages lagern sollen. Ein Endlager hat

    Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer hatte unlängst mit der provokanten These Aufsehen erregt, dass es die Atomkraft brauchen werde, um alle Elektroautos des Jahres 2050 am Laufen zu halten. Neben Microsoft-Gründer Bill Gates begeistert sich auch eine kleine Gruppe anderer Technikerinnen und Techniker an der Idee neuer, kleinerer Kernkraftwerke. Zu einem großen Teil ist dies aber eine Scheindebatte. Denn ihren Praxistest haben diese Meiler bisher nicht bestanden, mit radioaktiven Stoffen müssen auch sie arbeiten. Und dass sich in Deutschland auch nur eine Gemeinde findet, die sich als Standort für ein neues AKW andient, ist zweifelhaft. Die großen deutschen Energiekonzerne haben an der Technologie das Interesse verloren. Dass Frankreich auf neue

    Bisher ist nur ein Fünftel der Energie in Deutschland erneuerbar

    Der Atomausstieg bis Ende 2022 könnte gut zu schaffen sein, doch Deutschland hat sich auch die Aufgabe auferlegt, sich in den Jahren danach auch von der Kohle zu verabschieden. Bis 2045, das ist der Ziel der alten wie der neuen Bundesregierung, soll das Land klimaneutral werden - eine gigantische technische Herausforderung. Denn im Jahr 2020 lag der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch zwar schon bei rund 45 Prozent. Berücksichtigt man aber den gesamten Energieverbrauch - schließlich gibt es neben Strom auch Benzin, Heizöl, Erdgas - sind es gerade einmal 19 (!) Prozent.

    Denkbar und auch möglich ist es, das Land zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien zu versorgen, das haben Energiefachleute wie Claudia Kemfert in seriösen Gutachten aufgezeigt. In der idealen Welt würde sich Deutschland dann nur noch mit Strom aus Photovoltaik und Windkraft - an Land wie auf See - versorgen. Um zum Ziel zu gelangen, müsste das Land das Ausbautempo für die Erneuerbaren massiv steigern, vom Vierfachen des Bisherigen ist die Rede. Dazu benötigt es zahlreiche Batteriespeicher und Wasserstoffturbinen, die einspringen, wenn der Wind nicht hinreichend weht.

    Bürokratie und Auflagen bremsen den Ausbau

    Das Problem ist, dass die Regierung zwar den Ausstieg auf den Weg gebracht hat, nicht aber das Energiesystem der Zukunft. Neue Windräder lassen sich derzeit in manchen Bundesländern an einer Hand abzählen - Bayern inklusive. Fehlende Flächen und bürokratische Verfahren bremsen die Photovoltaik aus. Die Fertigstellung der großen Stromtrassen von Nord nach Süd wird sich bis zum Ende des Jahrzehnts hinziehen. Und der grüne Wasserstoff, der fossiles Erdgas ersetzen kann, existiert bisher lediglich in Strategiepapieren. Wie ein Land aussieht, das sich nur mit erneuerbaren Energien versorgt, wie die Felder, Wiesen und Wälder, das haben die Parteien ihren Wählerinnen und Wählern längst nicht überzeugend erklärt.

    Ein bisschen scheint die Ampel-Koalition bereits vor ihrem eigenen Mut zurückzuschrecken. Den Kohleausstieg bis 2030 statt wie geplant bis 2038 wünscht sie sich nur noch "idealerweise".

    Wirtschaftsminister Robert Habeck hat eine große Aufgabe vor sich

    Dass die Energiewende möglich ist, dass Strom von Sonne und Wind günstig sein kann, das beweisen täglich tausende Menschen in Deutschland in der Praxis, angefangen bei Familien, die ihr Haus mit ihren neuen Solaranlagen günstiger mit Strom versorgen, als wenn sie ihn kaufen.

    Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck wird das Potenzial der erneuerbaren Energien viel stärker als bisher heben und schnell zum Handeln kommen müssen, sonst wird die Debatte um neue Kernkraftwerke bald noch lauter werden.

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