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Kommentar: Demokratie in Gefahr: Warum es sich lohnt, widerständig zu sein

Kommentar

Demokratie in Gefahr: Warum es sich lohnt, widerständig zu sein

Jonas Klimm
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    Inbegriff deutscher Demokratiegeschichte: der Reichstag in Berlin.
    Inbegriff deutscher Demokratiegeschichte: der Reichstag in Berlin. Foto: Paul Zinken, dpa

    Die liberale Demokratie ist weltweit unter Druck wie lange nicht. So lautet die bittere Bilanz zum "Internationalen Tag der Demokratie". 2007 von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen, soll der 15. September die Menschheit allerorten an die Bedeutung und Verteidigung demokratischer Werte erinnern. Ein solcher Tag rettet freilich keine liberale Staatsform vor dem Untergang. Trotzdem ist die stete Bewusstmachung der eigenen Freiheit zentral. Denn die Entwicklung politischer Systeme weltweit ist bedenklich: Untersuchungen zeigen seit Jahren einen Rückgang der Zahl freiheitlicher Staaten und eine Zunahme autoritärer Regime und sogenannter unvollständiger Demokratien. Staaten, in denen zwar das Grundgerüst noch steht, dieses aber zunehmend ins Wanken gerät.

    Noch Anfang der 90er Jahre lagen sich Europa und der demokratische Teil der Welt in den Armen. Mit dem Ende der Sowjetunion schien die Demokratie als Staatsform auf ganzer Linie gesiegt zu haben. Francis Fukuyama verkündete gar das „Ende der Geschichte“. Was er meinte: das baldige Ende aller diktatorischen Regime und der vollumfängliche Sieg liberaler, demokratischer und marktwirtschaftlicher Strömungen. Für viele ein logischer Schritt in der Menschheitsgeschichte: vom Neandertaler zum Homo democraticus. Doch der Lauf der Welt ist nicht logisch. Und vor allem: Wachsende menschliche Erfahrung bedingt nicht zwangsläufig moralischen Fortschritt.

    Die Brics-Gruppe will die unipolare Weltordnung endgültig beenden

    Das wissen auch die Feinde der Demokratie. Sie gibt es seit jeher. Neu aber ist deren Bandbreite. Zu den totalitären Diktaturen wie China, Nordkorea und Russland gesellen sich unvollständige Demokratien hinzu. Das machen sich zweifelhafte Figuren wie Trump, Orbán und Kaczyński zunutze. Sie lassen sich mit halbseidenen Versprechungen über demokratische Wahlen ins Amt hieven und zersetzen den Rechtsstaat Stück für Stück; indem sie die Justiz aushöhlen, die Pressefreiheit beschneiden, politische Gegner denunzieren. 

    Darüber hinaus verbünden sich demokratisch geführte Schwellenländer wie Brasilien, Indien und Südafrika mit den Diktatoren Putin und Xi in der Brics-Gruppe. Sie wollen die bröckelnde Vormachtstellung der US-Amerikaner ein für alle Mal zum Einsturz bringen. Das größte Unheil droht in der westlichen Welt jedoch von innen. Autoritäre Positionen von rechts und links verzeichnen Terraingewinne und rücken immer tiefer in die Mitte vor. Deren Vertreter plädieren für einen Rückbau der Demokratie im Sinne ihrer angeblich guten Sache. 

    Demokratie ist mehr als ihre Einzelteile – sie ist eine Lebensaufgabe

    Das kann niemals die Lösung sein. Die Integrität demokratischer Institutionen steht über vermeintlich sachpolitischen Zwängen. Mit der schrittweisen Demontage rechtsstaatlicher Prinzipien verfällt die Demokratie dem Siechtum. Eine Wiedererweckung ist dann nur schwer möglich.

    Demokratie ist aber mehr als ihre institutionellen Einzelteile. Sie ist eine Lebensform, wie der frühere Bundespräsident Theodor Heuss (FDP) einst sagte. Eine Lebensform, die das Zusammenleben aller vermenschlicht und jedem Individuum die Möglichkeit gewährt, sich frei zu entfalten. Hierfür ist das Handeln seiner Bürger erforderlich. Ein Blick in die Geschichtsbücher und über nationale Grenzen hinaus verdeutlicht: Demokratie und damit das Prinzip der Freiheit ist nicht ohne Kampf, ohne Widerstand, ohne das Bekenntnis zum Anderssein zu bewahren. Demokratie ist eine Lebensaufgabe.

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