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Kommentar: Der Bund schiebt Bayern in der Energiekrise die Schuld zu – ein Ablenkungsmanöver

Kommentar

Der Bund schiebt Bayern in der Energiekrise die Schuld zu – ein Ablenkungsmanöver

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    Der Ökostromanteil in Deutschland steigt.
    Der Ökostromanteil in Deutschland steigt. Foto: Julian Stratenschulte, dpa

    Bayerns Energiehunger ist riesig: Für sich alleingenommen stünde der Freistaat als Industrieland mit seiner Wirtschaftsleistung auf Platz sieben aller 27 EU-Länder. Schon seit Wochen haben große, mittlere, aber auch kleine Betriebe massive Probleme, ihren Strombedarf zu decken. Anders als Privatleute kaufen viele von ihnen den Strom direkt an der Energiebörse. Doch dort spielen seit Wochen die Kurse verrückt und Preise schießen in horrende Höhen. Wenn nun aus Bayern Politik und Wirtschaft auf die Sorgen vor dem Krisenwinter hinweisen, schallt aus Berlin der Vorwurf zurück: Bayern habe den Ausbau der Windkraft und Stromtrassen bei sich blockiert.

    Tatsächlich erweist sich die Verhinderungspolitik des früheren CSU-Ministerpräsidenten Horst Seehofer damals wie heute als schwerer Fehler, wenn es darum geht, den Klimaschutz voranzubringen. Doch auch eine andere Politik hätte an der momentanen Krise wenig geändert.

    In ganz Deutschland herrscht bei den Erneuerbaren Flaute. Schuld ist ein SPD-Gesetz

    Einen wesentlichen Teil der Energiewende sollten Windparks vor der Küste Norddeutschlands bilden. In Bayern gingen 2021 acht neue Windräder ans Netz. Vor der Nord- und Ostseeküste null. Hier wie dort eine erbärmliche Bilanz.

    Doch sie entlarvt das aus Berlin täglich vorgetragene Märchen vom bayerischen „Selber schuld!“ als Ablenkungsmanöver: Dass in ganz Deutschland beim Ausbau erneuerbarer Energien nicht nur in Bayern seit langem Flaute herrscht, liegt vor allem an der „Reform“ des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes durch den damaligen SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel.

    Das Gesetz würgte nach 2016 nicht nur die Offshore-Windenergie vor den Küsten ab und beseitigte den Druck auf den Ausbau der Stromnetze. Binnen weniger Jahre brach auch der Windkraftausbau an Land bundesweit um 80 Prozent zusammen. Und kaum zufällig wurde kurz vor der Reform die Vereinbarung zum Bau der schon damals umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 unterzeichnet.

    Die energiepolitische Lebenslüge der SPD

    Billiges Gas aus Russland als Treibstoff für den Industriestandort Deutschland wurde durch den Krieg in der Ukraine zur energiepolitischen Lebenslüge der SPD. Ähnlich erging es Jahre zuvor der Treue der Union zur Atomenergie, als die Katastrophe von Fukushima den kurz vorher beschlossenen Ausstieg aus dem Atomausstieg zum teuren Desaster werden ließ.

    Nun droht den Grünen ein ähnliches Debakel. Die Parole ihres Vizekanzlers Robert Habeck, Deutschland habe kein Stromproblem, sondern ein Gasproblem, klingt nicht nur für die Unternehmen mit ihren Existenzsorgen wie Hohn. Sobald die viel höheren Stromrechnungen bei den Privathaushalten in den Briefkästen liegen, dürfte die frühere Freundschaft vieler Wählerinnen und Wähler beim Geld aufhören.

    Habeck hätte in den Strommarkt eingreifen müssen

    Zu groß sind die handwerklichen Fehler Habecks: Dass das Auffüllen der Gasspeicher zu horrenden Gaspreisen führt, mag unvermeidbar sein. Nicht aber, dass dies an der Strombörse wegen der Gaskraftwerke zum Chaos führen muss – hier wären staatliche Eingriffe rechtzeitig nötig gewesen. Als Habecks größter Fehler droht sich jedoch die Verweigerung des Grünen zu erweisen, den Atomausstieg um ein paar Monate vom Höhepunkt des Krisenwinters in den Sommer zu verschieben.

    Der Minister tat lange so, als wäre dies eine absurde Forderung ewiggestriger politischer Gegner. Doch es war sein Sachverständigenrat aus allen fünf Wirtschaftsweisen, die im März einstimmig eine Verlängerung forderten, damit die Strompreise nicht explodieren. Die Parole „Hört auf die Wissenschaft“ mag für die Grünen beim Klimaschutz gelten, nicht aber bei Wirtschaftskompetenz.

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