Schon Tage vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Nachtragshaushalt 2021 und der entsprechenden Klage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ging ein Raunen durch Berlin. Es gab eine gewisse Ahnung, dass Karlsruhe gegen die Ampel urteilen und damit das gesamte Haushaltsgefüge ins Wanken bringen könnte. Als der Zweite Senat seine Entscheidung bekanntgab, war die Überraschung nicht so groß, wie man es hätte vermuten können.
Die Auswirkungen auf die Staatsfinanzen sind gravierend, aber beherrschbar. Es geht um 60 Milliarden Euro, die jetzt anderweitig beschafft werden müssen. Der Bund kann die gewaltige Summe stemmen, ohne dass das Land in eine Krise stürzt. Finanzminister Christian Lindner hatte schon vor der Urteilsverkündung einen Plan B in der Tasche, er wird jetzt Ausgaben kürzen und Vorhaben verschieben müssen. Populär ist das allerdings nicht, es geht da auch um Themen wie die Förderung für umweltfreundliche Heizungen.
Lindner und alle Haushälter der Regierung haben schlampig gearbeitet
Politisch gesehen ist Karlsruher Urteil in seiner Klarheit ein schmerzhafter Boxhieb, der das ohnehin angeschlagene Regierungsbündnis weiter ins Taumeln bringt. Das Gericht fand nicht nur einen, sondern gleich drei Gründe, die den Nachtragshaushalt jeder für sich zu Fall gebracht hätten. Das zeigt: Lindner und alle Haushälter der Regierung haben schlampig gearbeitet, das Kanzleramt hat in seiner Aufsicht versagt.
Das Karlsruher Urteil wirft damit auch ein bezeichnendes Licht auf das Finanzgebaren der Ampel. Offiziell hält sie die Schuldenbremse ein. Dafür transferiert sie aber Steuergelder nach Belieben von A nach B, schafft milliardenschwere Sondervermögen und damit Schattenhaushalte.
Die Schuldenbremse muss klar definiert werden
Dreierlei steht nun an: Die 60-Milliarden-Lücke muss seriös gestopft werden. Parallel dazu ist die Regierung angehalten, die Möglichkeiten und die Reichweite der Schuldenbremse klar zu definieren: Ein Herumjonglieren mit Steuergeldern ist nach diesem Urteil nicht mehr möglich.
Drittens, und das geht übers aktuelle Urteil hinaus, sollten sich alle Parteien dringend überlegen, in welchen Fällen sie das Bundesverfassungsgericht anrufen. Immer wieder werden Streitigkeiten, die eigentlich im Plenarsaal ausgetragen werden sollten, nach Karlsruhe getragen. Der Solidaritätszuschlag zum Beispiel oder das Bundeswahlgesetz 2020, zu dem in zwei Wochen das nächste Urteil des Verfassungsgerichts erwartet wird. Das Parlament unterminiert seine eigene Handlungsfähigkeit und Bedeutung, dem Vertrauen in politische Entscheidungen ist das abträglich.