Den Bundeskanzler stellen kann eine Partei dann, wenn sie einen beliebten und bekannten Kandidaten nominiert, der ein Programm vertritt, das ihm passt wie ein Maßanzug. Die SPD war immer dann erfolgreich, wenn sie sich mit markanten Persönlichkeiten wie Willy Brandt, Helmut Schmidt oder Gerhard Schröder an die Mitte der Gesellschaft wandte, zu der auch vermeintliche Gutverdiener gehören. Mit Olaf Scholz haben die Genossen einen Kanzlerbewerber von Format. Doch mit ihrem druckfrischen Wahlprogramm entfernt sich die ohnehin schon stark nach links gerückte SPD noch ein ganzes Stück weiter von der Mitte. Und umwirbt heftig die Wähler von Grünen und Linken.
Mit ihrem Wahlprogramm wildert die SPD bei Grünen und Linken
Klimapolitik, die gleich an erster Stelle steht und ein Tempolimit auf Autobahnen sollen die einen locken, zahlreiche soziale Wohltaten und die Abschaffung von Hartz-IV die anderen. Damit wildert die SPD im begrenzten linksalternativen Lager, bei den Parteien, die sie sich auch als Koalitionspartner wünscht. Doch um nur in die Nähe von Macht und Mehrheiten zu kommen, braucht es Zuspruch aus der arbeitenden Mitte.
Mehr Mindestlohn, höhere Sozialleistungen, freie Kitas, das klingt alles gut, will aber gerade in schwierigen Zeiten erst einmal seriös finanziert sein. Wer bezahlen soll, ist für die Genossen klar: Die „Reichen“ natürlich. Olaf Scholz, der Mann der dieses Programm umsetzen soll, stand aber nie für Klassenkampf, sondern vielmehr für gesellschaftlichen Ausgleich und Verständnis für die Wirtschaft. Das war in seiner Zeit als Erster Bürgermeister Hamburgs so und als Bundesfinanzminister verkörperte er eine solide Haushaltspolitik, bis Corona kam.
Das SPD-Wahlprogramm wird die Mitte der Gesellschaft kaum überzeugen
Einst hat Scholz die Sozialreformen des letzten SPD-Kanzlers Gerhard Schröder mitgetragen, die half, Massenarbeitslosigkeit abzubauen, Betroffenen aber auch Mitwirkungspflichten bei der Jobsuche auferlegte. Jetzt will die SPD nichts mehr, als Hartz-IV überwinden und Sanktionen für Leistungsempfänger, die nicht mit dem Jobcenter kooperieren, faktisch abschaffen. Entgegen aller Beteuerungen muss Olaf Scholz also mit einem Programm antreten, dass ihm keineswegs passt wie angegossen. Der Mantel, den die auf links gedrehte Partei ihm umhängt, steht ihm nicht, er zwickt und wirft Falten. Die Mitte der Gesellschaft wird Scholz in diesem Aufzug kaum entzücken.
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