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Kommentar: Das Problem mit der Wahrheit in der katholischen Kirche

Kommentar

Das Problem mit der Wahrheit in der katholischen Kirche

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    Kirchliche Würdenträger bei der Trauermesse für den emeritierten Papst Benedikt XVI. auf dem Petersplatz.
    Kirchliche Würdenträger bei der Trauermesse für den emeritierten Papst Benedikt XVI. auf dem Petersplatz. Foto: Oliver Weiken, dpa

    Der Wahlspruch Joseph Ratzingers als Erzbischof von München und Freising lautete „Cooperatores veritatis“, also Mitarbeiter der Wahrheit. Dieses Motto sollte nun als Erbe Benedikt XVI. für die gesamte katholische Kirche gelten, aber weniger als theologisches Statement, sondern als Devise für den Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Kirche. An diesem Thema entscheidet sich die Zukunft der katholischen Kirche.

    Benedikt XVI. traf als erster Papst Betroffene sexuellen Missbrauchs. Als es wegen des öffentlichen Drucks und der Anklagen der Opfer nicht mehr anders ging, waltete er mit harter Hand gegen Täter. Die ganze Wahrheit ist aber auch im Zusammenhang mit seiner Verantwortung etwa als Erzbischof von München und Freising (1977–82) nicht abschließend zu Tage gekommen. Ratzinger entschuldigte sich pauschal, verschanzte sich aber argumentativ hinter lauter Rechtfertigungen.

    Jeder Kleriker in der katholischen Kirche muss sich diese eine Frage stellen

    Wenn die katholische Kirche als Institution nicht weiter an bedeutung und Zustimmung verlieren will, muss sie die Grundbedürfnisse der Opfer nicht nur anerkennen, sondern sich zu Eigen machen. Der erste Schritt dabei ist, maßgeblich und flächendeckend an der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen mitzuwirken. Das geschieht in vielen Diözesen mit entsprechenden, von unabhängigen Stellen recherchierten Gutachten bereits. In ihrer Gesamtheit ist die Kirche aber noch weit davon entfernt, Mitarbeiterin der Wahrheit zu sein.

    „Wer als Priester Kinder missbraucht hat, soll nicht länger Priester sein, wer Missbrauch als Bischof vertuscht hat, soll nicht länger Leitungsaufgaben in der Kirche haben“, fordern Betroffene. Sie sprechen damit eine Selbstverständlichkeit aus, die in ihrer Breite noch nicht in der Kirche und auch nicht bei Papst Franziskus angekommen ist. 

    Letztendlich zieht sie eine Gewissensfrage nach sich, die sich jeder Kleriker stellen muss: Habe ich den Schutz der Institution Kirche oder das Wohl der Opfer bei meinen Entscheidungen im Blick gehabt? Die Betroffenen brauchen in erster Linie die Wahrheit. Sie bräuchten auch echte Mitarbeiter der Wahrheit.

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