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Kommentar: Das Missverständnis zwischen Papst und deutschen Katholiken

Kommentar

Das Missverständnis zwischen Papst und deutschen Katholiken

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    Papst Franziskus sprach zu Beginn seiner Amtszeit von einer "Revolution". Auf die Warten Gläubige in Deutschland bislang vergeblich.
    Papst Franziskus sprach zu Beginn seiner Amtszeit von einer "Revolution". Auf die Warten Gläubige in Deutschland bislang vergeblich. Foto: Alessandra Tarantino, dpa

    Papst Franziskus wird in Deutschland nicht verstanden. Zugegeben, seine Worte lassen Spielraum für viele Deutungen, deshalb können sich Reformer und Konservative so prächtig mit ihm schmücken, obwohl beide Gruppen den Papst inzwischen ziemlich satthaben. Doch es bleibt dabei: Die deutschen Katholikinnen und Katholiken verstehen den Papst nicht, haben ihn vielleicht nie verstanden.

    Was herrschte für eine Aufbruchstimmung zu Beginn des Pontifikats 2013. Sogar von „Revolution“ war damals die Rede, und mit Blick auf seine Vorgänger hatte das Auftreten und Wirken von Franziskus zu Beginn tatsächlich umstürzende Wirkung. Es war ein absolutes Novum, zwei Familiensynoden einzuberufen, mit dem unverhohlenen Ziel, Sexual- und Ehemoral der Kirche zu verändern. Der Papst hatte Erfolg mit dem Trick, über die Umfragen an der Basis Druck auf die Bischöfe auszuüben, die dann auf den Synoden dem Papst eine Vorlage geben sollten, die Lehre zu ändern. Ein Trick, der Methode wurde.

    Missbrauchsskandal brachte Reformwillen deutscher Katholiken in Schwung

    All dies hatte der Papst mit programmatischen Bekenntnissen in seiner Schrift Evangelii Gaudium (2014) untermauert. Damit lieferte er die Vorlage für den 2019 in Deutschland begonnenen „Synodalen Weg“ von Deutscher Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der Katholiken. Der Missbrauchsskandal gab den Startschuss dafür, Macht und Moral neu zu denken. Berauscht vom Dröhnen dieser Neuerungen hörte die reformorientierte Kirche in Deutschland dann aber auf, dem Papst zuzuhören. Franziskus liebt Gardinenpredigten, besonders in Erinnerung ist seine Anklage der Kurie aus dem Jahr 2014, als er seinen Mitarbeitern 15 Krankheiten diagnostizierte. Die Mahnungen, die an die Reformer gingen, werden bis heute überhört.

    2014 schrieb Franziskus von Versuchungen, denen „Intellektualisten“ sowie „Progressive und Liberale“ verfallen. Dazu gehört laut Franziskus, sich in der Sicherheit dessen zu verschließen, „was wir wissen und nicht dessen, was wir noch lernen und erreichen müssen“, außerdem „die Versuchung, vom Kreuz herunter zu steigen, um den Menschen zu gefallen“ und sich selbst als „Besitzer und Herren“ des Glaubens zu verstehen, dabei aber die Realität zu vernachlässigen. Mit anderen Worten: Blickt über den Tellerrand hinaus, deutsche Synodale und nehmt die Weltkirche außerhalb eurer Landesgrenzen wahr!

    Segnung Homosexueller, Ende des Zölibats: Franziskus bremst diese Ziele des Synodalen Wegs ein

    Ist die Kirche wirklich am Ende, wenn die Anerkennung der Segnung für Homosexuelle, das Ende des Pflichtzölibats oder die echte Beteiligung von Laien erst in 50 oder 100 Jahren kommen? Realistisch gesehen deutet alles auf diesen Horizont. Es geht 2022 weniger um die fortschreitende Evangelisierung der Weltbevölkerung, sondern um die Re-Evangelisierung und damit Vitalisierung der Kirche selbst. Bis dahin ergeht sich die Kurie in angstgetränkten Mahnbriefen an die Deutschen, die sich wiederum vom Papst verraten fühlen. Die Geister, die er rief, wird er so schnell nicht mehr los. Franziskus ist für die Einheit der Kirche zuständig, auch deshalb bremst er den Synodalen Weg.

    Sinnvoll wäre es gewesen, Franziskus hätte direkte Gespräche mit den Vertretern des Synodalen Weges geführt, anstatt nur schwer verständliche Briefe zu schreiben. Denn Franziskus will Bewegung, aber nicht um jeden Preis. Im kommenden Jahr werden die Themen endlich auf der Weltsynode im Vatikan vor einer globalen Audienz besprochen. Anschließend hat, wie immer, der Papst das letzte Wort.

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