Wenn die CSU mit dem Populismus flirtet, droht nicht selten am Ende eine teure Rechnung: Der von Horst Seehofer blockierte Bau von Stromtrassen verschärft heute die Energiekrise im Süden. Und wenn die tausend Kilometer unterirdischen Kabel einmal verlegt sind, zahlen die Menschen dafür teuer beim Strompreis. Seit dieser Woche hat auch das vom damaligen CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer verantwortete Mautdebakel ein gewaltiges Preisschild.
Zum Schadenersatz kommen beim Mautdebakel weitere Kosten
243 Millionen Euro Schadenersatz zahlt der Bund den Betreibern, dazu kommen 79 Millionen Euro, die das geplatzte Projekt den Bund bislang gekostet hat. Unter dem Strich bezahlen die Steuerzahler 322 Millionen Euro für einen vermeintlichen Wahlkampfschlager, mit dem die CSU 2013 zum bisher letzten Mal eine absolute Mehrheit in Bayern holte.
„Ausländermaut“ nannte die Partei die Idee, den Benzinpreis um 15 Cent in Deutschland zu senken und im Gegenzug eine hundert Euro teure Mautplakette einzuführen. In Bayern kam die Idee bei vielen gut an. Bei der Fahrt in den Süden ärgern sich Reisende, ein teures „Pickerl“ in Österreich an die Windschutzscheibe kleben zu müssen und an diversen Mautstellen Richtung Italien nochmals abkassiert zu werden. Auf dem Rückweg entlädt sich der Unmut beim Blick auf niederländische Wohnwagengespanne, die gratis deutsche Autobahnen füllen.
Merkel gab der CSU bei der Maut eine unlösbare Aufgabe mit
Doch außerhalb des Transitlands Bayern hielt sich die Begeisterung über die CSU-Idee in sehr engen Grenzen, schließlich hätten auch Inländer die Maut bezahlen müssen. CDU-Kanzlerin Angela Merkel gab der CSU deshalb die eigentlich unlösbare Aufgabe mit, die Maut könne kommen, wenn sie deutsche Autofahrer nichts koste und zugleich europarechtlich einwandfrei sei. Beides widersprach sich schon damals eindeutig.
Doch der von Seehofer mit klarer Maut-Mission zum Verkehrsminister gemachte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt brachte nach langer Tüftelei tatsächlich das Kunststück fertig, den Konflikt aufzulösen und ein Pkw-Mautmodell über die Kfz-Steuer zu präsentieren. Anders als sein Nachfolger Scheuer war Dobrindt so clever und machte die Einführung von der Zustimmung der EU abhängig. Scheuer aber wollte den Ausgang der Klage Österreichs nicht abwarten und unterzeichnete die Verträge mit den ausgewählten Privatbetreibern der Maut trotz unzähliger Warnungen voreilig.
Parteichef Söder mied den Konflikt mit seinen Berliner Ministern
Das war ein schwerer Fehler. Noch größer war – wie so oft in der Politik – der Umgang mit diesem Fehler. Scheuer besaß nicht den politischen Anstand, für sein Verhalten die Verantwortung zu übernehmen, für das ein Rücktritt angemessen gewesen wäre. Der CSU-Politiker entschuldigte sich noch nicht einmal eindeutig. Noch schlimmer ist, dass ihn seine Partei damit gewähren ließ. Der damals nach zähem Machtkampf ins Amt gekommene neue CSU-Chef Markus Söder mied den Konflikt mit den Berliner Ministern um den Scheuer-Förderer Seehofer.
Dafür büßt die CSU bis heute. Scheuer ist eine fast ikonische negative Symbolfigur seiner Partei. Die CSU muss sich bei jedweder Kritik gegenüber der Berliner Regierung an das teure Versagen ihres eigenen Ministers erinnern lassen. Die fehlenden Konsequenzen beschädigen aber nicht nur nachhaltig die Glaubwürdigkeit der CSU, sondern nähren negative Vorurteile gegen die Politik insgesamt. Das Mautdebakel beschädigt die politische Kultur in Deutschland, wenn Scheuers fataler Nicht-Rücktritt ein Maßstab bleibt.