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Kommentar: Das halbherzige Versprechen der Regierung an die Bundeswehr

Kommentar

Das halbherzige Versprechen der Regierung an die Bundeswehr

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    Die Ampel-Koalition täuscht die Deutschen, was die künftige Leistungsfähigkeit der Truppe und deren Finanzierung angeht.
    Die Ampel-Koalition täuscht die Deutschen, was die künftige Leistungsfähigkeit der Truppe und deren Finanzierung angeht. Foto: Michael Kappeler, dpa

    100 Milliarden Euro in Kriegsgerät zu stecken, ist eine Zumutung für eine pazifistische Gesellschaft wie die deutsche. Doch der durch Wladimir Putins Überfall auf die Ukraine ausgelöste Schock hat die eingespielten Reflexe in den Parteien gelähmt, wonach Milliarden in die Schulen fließen müssen statt in Bomben und Granaten.

    Zeitenwende nennt das der Kanzler. Wegen der Größe der Summe ist der Glaube entstanden, dass Deutschland schon bald über eine Armee verfügt, die das kann, was Streitkräfte können sollen. Feinde abschrecken, das eigene Land und Nato-Partner verteidigen, Krisenstaaten stabilisieren.

    Die Ampel täuscht die Wähler bei der Leistungsfähigkeit der Bundeswehr

    Die Hoffnung ist trügerisch. Schlimmer noch, die Ampel-Koalition täuscht die Deutschen, was die künftige Leistungsfähigkeit der Truppe und deren Finanzierung angeht. Denn auch durch 100 Milliarden Euro wird aus der Bundeswehr keine kampfstarke Truppe. Der Betrag schmilzt unter den Notwendigkeiten rasch zusammen. Ein Beispiel: Um wieder Munition für 30 Kampftage vorrätig zu haben, wie es zu Zeiten des Kalten Krieges die Norm war, müssen zwischen 20 und 30 Milliarden Euro ausgegeben werden, die schon einmal abgezogen werden müssen vom Sonderbudget.

    Selbst 100 neue Kampfpanzer würden den Bestand nur auf 400 heben, weit entfernt von den 2100 aus dem Jahr 1990. Die 35 amerikanischen Tarnkappenbomber F-35 sollen 93 Tornados der Luftwaffe ersetzen. Der Auftrag hat ein Volumen von rund fünf Milliarden Euro. Trotz dieser Investition schrumpft die Bomberflotte um zwei Drittel. Die Kostenschätzung für das neue Raketenabwehrsystem beläuft sich auf zehn Milliarden Euro.

    100 Milliarden für die Bundeswehr werden schnell ausgegeben sein

    Die Beispiele zeigen, wie groß der Bedarf bei der Truppe ist und wie schnell sich die mit 100 Milliarden Euro gefüllte Schatztruhe leeren wird. Dass das Geld rapide aufgezehrt sein wird, liegt aber hauptsächlich an einem anderen Faktor. Und der hat mit der Unaufrichtigkeit der Koalition zu tun.

    Bundeskanzler Olaf Scholz hat in seiner Zeitenwende-Rede nach dem Einmarsch Russlands angekündigt, dass Deutschland dauerhaft zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung in die Verteidigung investieren wird. In den nächsten vier Jahren wird das gelingen, jedoch nur, weil jeweils ein Viertel der auf Pump finanzierten 100 Milliarden dafür eingesetzt werden. Von dem Geld müssen also die neuen Flugzeuge, Hubschrauber, Panzer und Schiffe bezahlt werden und gleichzeitig die Kostensteigerungen bei der Truppe.

    Der Verteidigungshaushalt wird querfinanziert

    Wegen der Inflation wird der Sold für die 200.000 Soldaten stärker steigen müssen, Diesel wird teurer in der Anschaffung, und auch die Rüstungsunternehmen werden ihre Preise anheben. Weil Finanzminister Christian Lindner an seinem Wahlversprechen festhalten will, die Schuldenbremse einzuhalten, werden der Bundeswehr ab 2027 viele Milliarden fehlen. Denn der Verteidigungshaushalt bleibt laut der jetzigen Finanzplanung bei 50 Milliarden Euro pro Jahr. Ohne die Sonderüberweisung aus dem sogenannten Sondervermögen verfehlt Deutschland das Nato-Ziel von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung deutlich.

    Vor der nächsten Bundestagswahl wird Deutschland auf seine Armee blicken und feststellen, dass sie immer noch weit davon entfernt ist, robust und einsatzfähig zu sein. Im Wahlkampf wird es darum gehen, woher jetzt jährlich 25 bis 30 Milliarden zusätzlich für das Militär kommen sollen. Und darum, ob jetzt nicht erst einmal die Schulen saniert werden müssen. Das Stählen der schlappen Bundeswehr wird zehn Jahre dauern. Die Ampel-Koalition hat angesetzt, aber aus der Zeitenwende droht ein Wendchen zu werden. Derzeit ist alles darauf angelegt, weil SPD, Grüne und FDP nur in der laufenden Wahlperiode denken. Der Epochenumbruch mag verstanden sein, er wird dennoch nicht mit der nötigen Konsequenz vollzogen. Für die Bundeswehr ist das schlecht.

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