Das große Zittern vor einem Trump-Comeback

04.10.2023

In Europa wächst die Sorge, dass der unberechenbare Egomane ein zweites Mal zum US-Präsidenten gewählt wird. Doch Panik ist auch in diesem Fall ein schlechter Ratgeber.

Was sich derzeit in den USA abspielt, ist zum Fürchten – und zwar insbesondere für Freunde der Vereinigten Staaten: Die Gesellschaft gespalten, die politische Atmosphäre vergiftet, geprägt von Misstrauen, ja Hass. Das parlamentarische System gelähmt durch Republikaner, die sich in einen internen Kriegszustand hineingesteigert haben. Als ob dies nicht genug wäre, dräut ein weiteres Schreckensszenario am Horizont: das mögliche Comeback des unberechenbaren Egomanen Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen im November 2024.

Die Verwüstungen, die Trump während seiner ersten Amtszeit im transatlantischen Verhältnis angerichtet hat, sind in Europa noch in schlechtester Erinnerung. Vieles spricht dafür, dass der Ex-Präsident sein Zerstörungswerk bei einem Wahlsieg noch rücksichtsloser fortsetzen würde. Seit seiner Niederlage gegen Joe Biden, die er noch immer nicht wahrhaben will, hat sich der 77-Jährige weiter radikalisiert – und mit ihm Teile seiner Partei. Kaum zu erwarten ist, dass die moderaten Republikaner noch stark genug sind, Trump zu stoppen – auch wenn viele ahnen dürften, dass er die traditionsreiche Partei in den Abgrund reißen könnte. Jetzt hat eine kleine, radikale Gruppe von Republikanern die Abwahl des Vorsitzenden des Repräsentantenhauses Kevin McCarthy initiiert– ein „Parteifreund“.

Das internationale Vertrauen in die US-Institutionen hat bereits gelitten

Erneut droht ein folgenreicher haushaltspolitischer Stillstand. Auch wenn Präsident Biden beschwichtigt, fürchtet die Ukraine, dass die existenzielle Unterstützung der USA im Krieg gegen Russland nachlassen oder gar versiegen könnte. Bereits jetzt hat das Vertrauen in die US-Institutionen im Ausland gelitten.

Dass eine Wahl Trumps Pfeiler der westlichen Welt ernsthaft beschädigen oder gar zerstören könnte, ist keine Schwarzmalerei, sondern Realismus. In Gefahr wäre das politische System der USA, in Gefahr wäre aber auch die Nato – das Bündnis, das für die Verteidigungsfähigkeit des Westens steht.

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Foto: Seth Wenig, AP/dpa
Foto: Seth Wenig, AP/dpa

Ein Prozess von gleich mehreren: Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA, verlässt den Gerichtssaal am Supreme Court in New York. In Europa wächst die Furcht, vor einer zweiten Amtszeit Trumps.

Was kann die Europäische Union, was kann Deutschland tun, um Joe Biden für den sich abzeichnenden erneuten Showdown mit Trump zu stärken? Nicht allzu viel, aber mehr als gar nichts. Europas Staaten müssen endlich klare Signale aussenden, dass sie entschlossen sind, mehr in die eigene Verteidigungsfähigkeit zu investieren. In den USA ist der Vorwurf parteiübergreifend populär, dass sich die Verbündeten auf dem alten Kontinent lieber auf die US-Army verlassen, als schlagkräftige eigene Streitkräfte zu unterhalten. Ein Vorwurf, der mit Blick auf die letzten Jahrzehnte – siehe Bundeswehr – verständlich ist.

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Gleichzeitig sollten sich Deutsche, Franzosen oder Italiener ganz genau anschauen, was in den USA seit Jahren passiert. Wollen wir tatsächlich, dass es Fanatikern, Populisten und Demokratiefeinden auch bei uns gelingt, den gesellschaftlichen Zusammenhalt auszuhöhlen? Wollen wir, dass Geschrei Diskussionen ersetzt? Wer diese Fragen mit „nein“ beantwortet, sollte sich gerade jetzt vehement für die liberale Demokratie einsetzen.

Noch bleibt die Hoffnung, dass Trump genügend amerikanische Wähler abschreckt

Noch bleibt die Hoffnung, dass Donald Trump mit seinen Verschwörungstheorien, seinen hasserfüllten Reden und seinen mutmaßlich kriminellen Verstrickungen im Herbst 2024 noch genügend amerikanische Wähler abschreckt. Doch sollte sich der Hasardeur durchsetzen, muss das ein wenig müde und oft auch uneinige Europa auf eigene Stärken setzen. Klingt pathetisch? Mag sein. Aber es bliebe nichts anderes übrig.

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