Wenn man in diesen Tagen mit Firmenchefinnen, Ökonomen oder Wirtschaftsvertretern spricht, wenn man sie fragt, was das größte Defizit der aktuellen deutschen Bundesregierung sei, antworten sehr viele: Mangel an Planungssicherheit. Sollte der Kandidat Donald Trump im November tatsächlich zum zweiten Mal zum Präsidenten der USA gewählt werden, könnte ihnen die handwerklichen Mängel, das kommunikative Gewurschtel und die von zäher Zwietracht genährte Entscheidungsunfreudigkeit der Ampel schon bald wie eine am Reißbrett abgezirkelte Strategie vorkommen. Wenn Trump wirklich zurückkommt, dann ist wirtschaftspolitisch nur sicher, dass nichts mehr sicher ist.
Die USA gehören - neben der EU und China - für Deutschland zu den wichtigsten Exportmärkten. Nach dem Super Tuesday, dem Rückzug von Nikki Haley und mit Blick auf den vom Alter immer mehr gezeichneten Joe Biden tun die deutschen Unternehmen also sehr gut daran, sich für den Tag X zu wappnen. Wobei sich das leichter schreibt, als es umzusetzen ist. Denn wie soll man sich auf einen Menschen einstellen, dessen Idealvorstellung von einem guten Deal es ist, sein Gegenüber auszuspielen? Und dessen wirtschaftspolitische Agenda zwar gerade auf vielen Seiten ausgearbeitet wird, deren Umsetzung dann aber nicht unwesentlich daran hängt, ob dem Präsidenten der geliebte Cheeseburger gemundet oder der Greenkeeper den Golfplatz ausreichend gewässert hat.
Eine zweite Regierung Trump wird wie die erste – nur noch schlimmer
Im Ernst: Der wichtigste Satz in dem von einem konservativen Thinktank ausgearbeiteten Papier steht in dem Wirtschaftskapitel ganz vorne. Er lautet: "Die nächste Regierung muss dem wirtschaftlichen Wohlstand der einfachen Amerikaner Vorrang einräumen." America first - nur noch radikaler. Oder wie es die in Berkeley lehrende deutsche Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier jüngst im Gespräch mit unserer Redaktion sagte: "Eine zweite Regierung Trump wäre wie die erste - nur noch schlimmer."
Es ist nicht so, dass die Wirtschaftspolitik von Amtsinhaber Joe Biden nicht auf den Vorteil der USA bedacht wäre. Der Inflation Reduction Act etwa hat in Europa und Deutschland für viel Unmut gesorgt. Aber die "Bidenomics" sind doch fest in den internationalen Regelwerken verankert. Biden ist überzeugter Transatlantiker. Trump will, dass die USA aus der Welthandelsorganisation austreten. Sollte der eine den anderen tatsächlich ablösen, sind höhere Importzölle zu erwarten. Trump sprach in einem Interview bei Fox Business von zehn Prozent auf alles. Könnte mehr werden, oder weniger. Wer weiß das schon, bei einem Mann, der stringent nicht stringent handelt?
Trump würde eine Neuauflage von TTIP wohl extra verhandeln wollen
Höhere Zölle träfen all jene deutschen Firmen besonders, die zwar in den USA unterwegs sind, sich dort aber vielleicht keinen Produktionsstandort leisten können. Hätte man sich in den vergangenen vier Jahren vorbereiten können? Vielleicht. Aber wahr ist auch: Selbst wenn es mit einer Neuauflage des Transatlantischen Freihandelsabkommens (TTIP) geklappt hätte, würde Trump es mit ziemlicher Sicherheit neu verhandeln wollen. Zum Vorteil der USA.
Man darf von der Bundesregierung erwarten, dass sie sich besser auf eine zweite Amtszeit Trumps vorbereitet, als es ihre Vorgängerin unter Angela Merkel einst tat. Aber selbst wenn die Drähte zu den Beratern von Trump künftig gut funktionieren sollten, steht am Ende doch ein erratisches Wesen.
So bleibt pragmatischer Fatalismus: Wenn die USA unter Trump - womit sein Ex-Sicherheitsberater John Bolton fest rechnet - tatsächlich aus der Nato austreten, haben nicht nur die Unternehmen in Europa ganz andere Sorgen.