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Kommentar: Das Bürgergeld an sich ist nicht das Problem

Kommentar

Das Bürgergeld an sich ist nicht das Problem

Stefan Lange
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    Der große Zankapfel: Am Donnerstag wird über das Bürgergeld abgestimmt.
    Der große Zankapfel: Am Donnerstag wird über das Bürgergeld abgestimmt. Foto: Monika Skolimowska, dpa

    Für die Rechten im Bundestag ist das neue Bürgergeld lediglich „aufgeweichtes Hartz IV“. Die Linksfraktion spricht abwertend von „Hartz V“. Dazwischen tummelt sich die Unionsfraktion, die das Thema nutzt, um der Ampel-Koalition endlich einmal eins auswischen zu können. Die daraus resultierende parlamentarische Debatte schürt Politikverdrossenheit, weil sie programmatische Leitlinien über die Bedürfnisse der Menschen stellt - und am eigentlichen Problem vorbeigeht.

    Das Arbeitslosengeld II, Hartz IV also, wurde 2005 eingeführt und nach kurzer Zeit merkte die Politik, dass sie damit nur wenige Probleme gelöst, dafür andere geschaffen hatte. Neue Begrifflichkeiten – beispielsweise gab es statt Arbeitsämtern plötzlich die Bundesagentur für Arbeit und Jobcenter - konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass Hartz IV ein Bürokratiemonster war und nicht wie vom damaligen Kanzler Gerhard Schröder und der rot-grünen Koalition erhofft, für mehr Gerechtigkeit sorgte. Hartz IV wurde zum Klotz am Bein der SPD und zog sie Richtung Verlust der Regierungsmehrheit.

    Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) machte sich dann an die Arbeit, um das Arbeitslosengeld II zu reformieren. Aus Hartz IV sollte zunächst das „solidarische Grundeinkommen“ werden. Der Begriff war aber in der öffentlichen Debatte bald so negativ besetzt, dass er durch „Bürgergeld“ ersetzt wurde.

    Mit dem Bürgergeld bekommen Bedürftige mehr Geld

    Neu ist: Es gibt etwas mehr Geld für Bedürftige. Außerdem werden das Vermögen und die eigene Wohnung, falls überhaupt vorhanden, nicht mehr so schnell angetastet. Die Union wittert da eine „eklatante Gerechtigkeitslücke“ und versucht in gespielter Empörung, die Ärmeren in der Gesellschaft gegen die Wohlhabenderen auszuspielen. Frei nach der Stammtisch-Parole: Die gehen nicht arbeiten, bekommen Geld vom Staat und dürfen noch ihr ganzes Vermögen behalten. Das aber ist Stimmungsmache, die von der Statistik widerlegt wird. Denn die Gruppe derer, die Anspruch auf Bürgergeld haben und gleichzeitig über Vermögen oder gar noch ein Haus verfügen, ist klein. Und wenn sie durch eine Insolvenz ihrer Firma oder eine Krankheit nicht mehr arbeiten gehen können, ist es nur gerecht, wenn das zuvor hart Erarbeitete nicht gleich herangezogen wird.

    Der zweite Kritikpunkt am neuen Bürgergeld lautet, es gebe nur noch lasche Sanktionsmöglichkeiten, und da schwindeln sich Union und SPD zusammen in die eigene Tasche. Es gab bei Hartz IV Sanktionen, es gibt sie beim Bürgergeld weiterhin – es gibt aber nicht genug Personal, um sie durchzusetzen. In Berlin etwa ist um die Umgehung von Hartz-IV-Regeln eine regelrechte Kleinindustrie entstanden, an der neben den ALGII-Berechtigten unter anderem Anwälte, Ärzte und Steuerberater beteiligt sind. Eine Erbschaft von zehntausend Euro gelangt bereits heute mit einem kleinen Kniff mühelos an den Hartz-IV-Regeln vorbei aufs Konto – und der Leistungsbezug geht anschließend weiter.

    Das Bürgergeld wird das Problem in den Jobcentern nicht lösen

    Die Große Koalition aus Union und SPD hatte genügend Zeit, um das Personal in den Jobcentern spürbar aufzustocken und diese Entwicklung zu stoppen. Der Aufwuchs fiel indes viel zu gering aus. Teilweise müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehrere hunderte Fälle betreuen und sehen sich dabei noch Beleidigungen und Übergriffen ausgesetzt. So können sie nicht für die notwendige Gerechtigkeit sorgen und am Ende entsteht in der Bevölkerung das Gefühl, der Staat spanne den Faulen und Bequemen eine soziale Hängematte auf. Dieses Gefühl hat in den letzten Jahren offenbar zugenommen und das Bürgergeld als solches wird dem keine Ende machen. Es braucht eben auch Menschen, die die Regeln durchsetzen. 

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