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Kommentar: Darum wird die Misere bei der Bahn über Jahre weitergehen

Kommentar

Darum wird die Misere bei der Bahn über Jahre weitergehen

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    Die Deutsce Bahn befindet sich in schwerer Schieflage. Die Aussicht auf Besserung ist trüb.
    Die Deutsce Bahn befindet sich in schwerer Schieflage. Die Aussicht auf Besserung ist trüb. Foto: Matthias Balk, dpa (Symbolbild)

    Es rollt nicht gut auf Deutschlands Schienen. Doch zum Start des Großexperiments Neun-Euro-Ticket steckt die Bahn in einem Tief. Die Pünktlichkeit im Fernverkehr ist auf 70 Prozent gesunken. Fast jeder dritte Zug kommt zu spät. Die Güterbahn schlingert im Notmodus und ist nicht konkurrenzfähig.

    In den sozialen Netzwerken klagen sogar überzeugte Bahnfahrer, dass sie zuletzt öfter im nirgendwo gestrandet sind und keiner wusste, wie es weitergeht. Oder darüber, dass Züge nicht im Plan abfahren, weil das Personal nicht erschienen ist. Der Eindruck: So schlimm war es noch nie. Bahnchef Richard Lutz räumte das sogar vor wenigen Tagen ein. "Wir stehen vor einer Zäsur. So wie bisher geht es nicht weiter.“

    Maue Aussichten für den Zugverkehr in den kommenden Jahren

    Die schlechte Nachricht vorne weg: Es wird in den nächsten Jahren kaum besser werden. Das liegt an einer Mischung aus schweren Fehlern der Vergangenheit, gepaart mit einer goldenen Zukunftsvision, vor der aber eine lange Durststrecke liegt. Die Bahn soll, so hat es die Große Koalition beschlossen und das Ampel-Bündnis bestätigt, bis 2030 zum Lieblingsverkehrsmittel der Deutschen werden. Ob morgens zur Arbeit, auf Dienstreise oder in den Urlaub – die Bahn soll Auto und Flugzeug ersetzen. Und die Lkw gleich mit. Damit das gelingen kann, müssen die Gleise auf tausenden Kilometern ertüchtigt werden.

    Doch wenn gebaut wird, kommt rasch der Takt durcheinander. Wenn ein Zug warten muss, hat das Folgen für viele andere. Denn dann müssen womöglich Anschlusszüge warten. Oder in der Einfahrt am Bahnhof wird es eng, weil plötzlich mehr Züge einrollen wollen, als es Gleise gibt. Die mittelfristige Investitionsplanung sieht vor, dass die Bahn bis 2030 viele Milliarden in das Netz steckt. Viele Baustellen bedeuten aber auch viele Störungen des Betriebsablaufs, wie es entschuldigend vom Staatskonzern heißt, wenn sich die Bahn verspätet. Aus dem Dilemma kommt das Unternehmen nicht so einfach heraus.

    An dieser Stelle rächen sich die Fehler der Vergangenheit. Einst sollte die Bahn an die Börse gebracht werden, um ihr die letzten Überreste der Beamtenbehörde Bundesbahn auszutreiben. Damit der Laden für Investoren interessant erscheint, wurde weniger investiert in Gleise, Loks und Waggons, denn das steigert kurzfristig die Gewinne. Aus dem Börsengang ist nichts geworden, aber die seinerzeit eingesparten Investitionen machen sich heute bemerkbar. Dummerweise sind heute Bauarbeiter und Material knapp, die Kosten steigen exorbitant. Wobei das Geld noch nicht einmal das Problem ist. Die Ampel-Koalition ist im Milliarden-Fieber, macht Schulden wie keine Regierung zuvor. Die Bahn hat einen Vorteil: Wenn sie sich Milliarden am Kapitalmarkt leiht, wird das nicht auf die Schuldenquote angerechnet.

    Verkehrsminister Wissing weiß nicht, wohin er will

    Doch die Misere der Bahn wird nicht gelöst, indem einfach Geld auf die Probleme geworfen wird. Dazu braucht es kluge Planung und Vorgaben der Bundesregierung, was ihr Unternehmen leisten soll. Doch Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) ist noch auf der Suche. Der Bahnpakt für die starke Schiene soll nachjustiert werden, aber in Wissings Haus wissen sie nicht wie. Deshalb soll jetzt erst einmal eine Kommission bis Jahresende Vorschläge machen, die dann vielleicht umgesetzt werden.

    Das Schienennetz wird an vielen Stellen für die künftige Belastung ertüchtigt. Das sorgt aber für Reibung im Fahrplan.
    Das Schienennetz wird an vielen Stellen für die künftige Belastung ertüchtigt. Das sorgt aber für Reibung im Fahrplan. Foto: Db

    Gleichzeitig hat sich die Koalition auf Drängen der FDP und der Grünen vorgenommen, der Bahn eine neue Struktur zu verpassen. Die Konzernbereiche Bahnhof und Netz sollen zusammengelegt werden. Die Eisenbahnergewerkschaft ist dagegen, weil sie fürchtet, dass die Neuordnung den Konzern über Jahre lähmen wird. Dennoch ist die zugrundeliegende Analyse von FDP und Grünen richtig: Der Bahnvorstand hat keinen wirksamen Durchgriff auf das Geflecht an Tochterfirmen. Doch zusätzlich zu den vielen Baustellen auf der Strecke käme eine am Gebälk des Unternehmens hinzu. Die Ampel sollte sich gut überlegen, ob sie das dem Betrieb zumuten will. Die nächsten Jahre werden schwierig genug. Fahrgäste brauchen Geduld.

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