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Kommentar: Corona-Krise: Starke Exekutive, ja – aber mit Kontrolle

Kommentar

Corona-Krise: Starke Exekutive, ja – aber mit Kontrolle

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    Vor allem in den sozialen Medien sind viele Falschinformationen in Sachen Coronavirus zu finden. Die Aufgabe von Journalisten ist, in sachlicher Weise aufzuklären.
    Vor allem in den sozialen Medien sind viele Falschinformationen in Sachen Coronavirus zu finden. Die Aufgabe von Journalisten ist, in sachlicher Weise aufzuklären. Foto: Marijan Murat, dpa

    Eine Krise schweißt zusammen, also haben viele Mächtige der Welt einen neuen Feind entdeckt. Praktischerweise ist es einer, den sie schon lange im Blick hatten: die Medien. Die haben Corona entweder erfunden oder verschwiegen, sie haben Informationen aufgebauscht oder unterdrückt, sie haben Panik verbreitet oder zu lange beruhigt, ganz egal: Irgendwie sind "die" schuld. Oft nur deswegen, weil sie tun, was Medien tun müssen – die Wahrheit schreiben.

    Corona beschert auch der Presse schwere Zeiten

    In den USA beschimpft der Präsident Berichterstatter, wenn sie es wagen, seine Politik zu hinterfragen. In Brasilien verspottete der Präsident jeden Schreiberling, der ihm nicht abnehmen wollte, dass Corona bloß ein Schnüpfchen sei. In Albanien empfahl der Ministerpräsident als Taktik gegen Corona, sich vor den Medien zu schützen. Die Machthaber im Irak verweigerten der Nachrichtenagentur Reuters das Arbeiten, weil ihnen deren Berichte über Opferzahlen nicht passten. In Afrika, aber auch in Osteuropa versuchen Mächtige die Krise zu nutzen, um lästige Demokratie abzuschaffen. Und in China – das manchen als Krisen-Vorbild gilt – weiß keiner, wie zuverlässig Informationen zu Corona sind, denn kritische Stimmen wurden mundtot gemacht.

    Verglichen damit, ist die Lage der Medien in Deutschland natürlich besser. Das heißt aber am Tag der Pressefreiheit keineswegs, dass alles gut ist. Auch wir stoßen in dieser Krise an Grenzen – und spüren eine neue Form der Kritik: Wir seien mal Aufhetzer, mal Abwiegler, mal zu regierungsgesteuert, mal zu rebellisch.

    Offene Gesellschaften sind weniger anfällig für große Nöte

    Medienkritik ist völlig in Ordnung, wir sind Menschen und machen Fehler. Die Krise ist für uns alle Neuland, ähnlich wie für die Politik und selbst die Virologen. Wir können daher gar nicht versprechen, immer richtig zu gewichten. Wir können aber versprechen, dass wir uns an Maßstäbe halten: Recherche, eine objektive Sichtweise, nicht getragen von einer Agenda und nicht beeinflusst von der Politik. Sondern von den Fakten: Wenn in unseren Netzwerken auf einmal Ibuprofen als coronafördernd gilt, wenn in den USA der Präsident suggeriert, man könne gegen Corona Desinfektionsmittel injizieren oder in Indien Millionen Menschen auf der Straße klatschen, weil in sozialen Netzwerken stand, so lasse sich das Virus vertreiben, müssen Medien sagen: Nee, stimmt nicht.

    Der Ökonom Amartya Sen hat den Nobelpreis gewonnen für seine Forschung, dass eine demokratische – und kritische – Öffentlichkeit Hungersnöte unwahrscheinlicher mache. In offenen Gesellschaften sind auch Corona-Eskalationen zumindest weniger wahrscheinlich. In China wäre es womöglich nie zum Ausbruch gekommen, wenn die Mächtigen dort nicht so viel verschweigen könnten. Im stark betroffenen Italien leiden Medien seit langem unter der Kontrolle durch wenige Familien. Und in den USA haben viele Anhänger des Präsidenten keinen Zugang mehr zu objektiven Informationen (oder wollen die gar nicht).

    Medien spielen eine wichtige Rolle

    In einer offenen Gesellschaft ist es aber auch nicht Aufgabe der Medien, eine Regierungslinie (oder Virologenlinie) durchzusetzen, sondern diese kritisch zu begleiten. Unsere Aufgabe ist, in der Krise Fragen zu stellen: Warum? Wie lange? Zu welchem Preis?

    Ist die Krisenstunde also die Stunde der Medien? Gewiss, wir erreichen so viele Leser wie nie zuvor. Doch zugleich trifft uns Corona hart, die Werbeeinnahmen brechen ein. Viele Verlage, auch unserer, gehen in Kurzarbeit, damit wir liquide bleiben. Man muss darüber nicht groß klagen, so viele Branchen haben gerade Probleme. Man darf aber schon daran erinnern, wie wichtig unsere Aufgabe bleibt. Oft ist nun die Rede von der Stunde der Exekutive. Doch eine starke

    Alle Informationen rund um das Coronavirus und die Entwicklung in Deutschland finden Sie in unserem News-Blog.

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