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Kommentar: CDU-Chef im Stimmungstief: Der entscheidende Fehler des Friedrich Merz

Kommentar

CDU-Chef im Stimmungstief: Der entscheidende Fehler des Friedrich Merz

Michael Stifter
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    Friedrich Merz will die CDU zurück ins Kanzleramt führen. Doch ist er auch der richtige Kandidat dafür?
    Friedrich Merz will die CDU zurück ins Kanzleramt führen. Doch ist er auch der richtige Kandidat dafür? Foto: Michael Kappeler, dpa

    Wenn eine Regierung in einer derart massiven Vertrauenskrise steckt wie die Ampel-Koalition, kann sich die politische Konkurrenz normalerweise mit einer Tüte Popcorn zurücklehnen und dabei zusehen, wie die eigenen Beliebtheitswerte steigen. Was aber, wenn das nicht passiert? Wenn die Wählerinnen und Wähler sich zwar von den Regierungsparteien abwenden, den Oppositionsführer aber erst recht nicht als Kanzler haben wollen? Diese Fragen wabern gerade durch die CDU, die zwar in Umfragen führt, aber seit Monaten keinen Millimeter vom Fleck kommt. Zumindest hinter den Kulissen wird längst darüber diskutiert, ob Parteichef Friedrich Merz wirklich der richtige Kanzlerkandidat wäre. 

    Eines muss man dem 67-Jährigen lassen: Er versucht, das konservative Profil der Union nach den eher konturlosen Jahrzehnten unter Angela Merkel zu schärfen und bedient seine Anhänger (Anhängerinnen gibt es ja eher weniger) mit den erwartbaren Attacken auf alles, was vermeintlich links ist. Oder grün. Oder woke. Oder noch schlimmer: alles zusammen. Nur: Die meisten Deutschen scheinen darin keinen besonderen Mehrwert zu erkennen und viele Konservative wenden sich der AfD zu.

    Friedrich Merz stimmt in den "Armes-Deutschland-Tenor" der AfD mit ein

    Merz macht im Umgang mit den Rechten einen entscheidenden Fehler: Er glaubt noch immer, Kundschaft zurückzugewinnen, indem er bei jeder Gelegenheit in den "Armes-Deutschland"-Tenor von Populisten, Verschwörungsideologen und Demokratieverächtern einstimmt. Was er damit erreicht? Immer mehr Menschen bekommen das - von Fakten nicht gedeckte - Gefühl, dieses Land stehe tatsächlich kurz vor dem Untergang und wenden sich voller Angst und Frust von den etablierten Parteien ab - auch von der CDU.

    Friedrich Merz, die so spät erfüllte Hoffnung des konservativen Flügels der Union, müsste sich jetzt eingestehen, dass er sein großspuriges Versprechen, die AfD zu halbieren, kolossal verfehlt hat. Die Rechten, vor einem Jahr in Umfragen noch einstellig, marschieren stramm auf die 20-Prozent-Marke zu. Das Problem für den CDU-Boss: Die Mittel, von denen er sich die Merz-Revolution erhofft hat, erweisen sich als wirkungslos. Und noch schlimmer: Andere hat er nicht. Im Gegensatz zu Hendrik Wüst. 

    Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen gilt als wahrscheinlichste Alternative, wenn es um die Kanzlerkandidatur geht. Und er tut eine Menge dafür, dass das so bleibt. Vor dem Parteikonvent der CDU am Wochenende veröffentlichte die Frankfurter Allgemeine unter dem Titel "Das Herz der Union schlägt in der Mitte" einen Gastbeitrag des 20 Jahre jüngeren Wüst, der wie eine Hommage an Merz-Rivalin Angela Merkel verstanden werden kann. 

    Hendrik Wüst und Daniel Günther wollen die CDU in der Mitte positionieren

    Immer mehr Unions-Leute scheinen zu erkennen, dass es allein mit der Besinnung auf konservative Wurzeln, eine Prise Populismus und Popcorn nicht getan sein wird, wenn man zurück ins Kanzleramt will. "Kurs der Mitte, sprachlich sauber bleiben, keine Debatten über das Gendern und andere Nebensächlichkeiten führen - den Leuten halt keinen Scheiß erzählen", gibt Daniel Günther als Losung aus. Ein Seitenhieb auf Merz, den wenig so sehr aufzuregen scheint wie geschlechterneutrale Sprache. Dass sich die CDU am Wochenende entsprechend gegen Gendersprache positioniert hat, dürfte Günther achselzuckend zur Kenntnis genommen haben. Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein glaubt nicht, dass sich mit solchen Themen etwas gewinnen lässt. 

    Dass sich Wüst und Günther nun aus der Deckung wagen, hat sicher damit zu tun, dass die Popularitätswerte ihres Chefs für einen potenziellen Kanzlerkandidaten desaströs sind. Die Meinungsforscher von Insa wollten im Auftrag der Bild wissen, wer am ehesten geeignet wäre, Olaf Scholz zu schlagen. Gerade einmal 16 Prozent würden sich im direkten Duell mit dem Kanzler für Merz entscheiden. Scholz käme auf 25 Prozent, der Rest der Befragten ist unentschlossen oder würde keinen von beiden wählen. Wüst liegt, obwohl noch recht neu im Geschäft, bei 18 Prozent, CSU-Chef Markus Söder käme auf 31 Prozent und würde damit den direkten Wettkampf mit Scholz sogar gewinnen. 

    Für Markus Söder muss die Merz-Misere ein Warnschuss sein

    Für Söder muss die Merz-Misere ein Warnschuss sein. Schließlich beginnt sein Wahlkampf nicht irgendwann, sondern jetzt. Vor gut einer Woche hat er bei der Demo in Erding gegen das Heizungsgesetz unter Realbedingungen erfahren, was passieren kann, wenn man Wut-Bürgern zu weit entgegenkommt: Er wurde ausgebuht und musste erleben, dass auf dem Feld der Populisten nur Populisten punkten können. Anders als sein Vize Hubert Aiwanger scheint Bayerns Ministerpräsident seine Lektion gelernt haben. Zudem hat Söder immer wieder bewiesen, dass er sämtliche politischen Spielarten beherrscht. Anders als Merz. Und genau dies könnte nun zum Problem für den CDU-Chef werden. Und für seine Partei. 

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