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Kommentar: Bürgerentscheide verordnen Bayern die nötige Dosis Demokratie

Kommentar

Bürgerentscheide verordnen Bayern die nötige Dosis Demokratie

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    In Bayern gibt es die meisten Bürgerentscheide in Deutschland. Hier eine Auszählung in Gersthofen bei Augsburg.
    In Bayern gibt es die meisten Bürgerentscheide in Deutschland. Hier eine Auszählung in Gersthofen bei Augsburg. Foto: Marcus Merk (Symbolbild)

    Politik ist ein kompliziertes Geschäft. Länderparlamente, die Bundesregierung, Lobbyisten, Juristen und die EU im fernen Brüssel: Alle reden mit und am Ende steht der Eindruck eines Durcheinanders, das nur mühsam Konstruktives zustande bringt. Da möchte man manchmal laut "Stopp" dazwischenrufen und den

    Volksabstimmungen in Bayern sind selten

    In der Verfassung des Freistaats sind Volksentscheide verankert und Mitte der 1990er-Jahre verordneten Bayerns Bürger dem Freistaat gegen den Willen der damals allein regierenden CSU eine zusätzliche Dosis direkte Demokratie: die Bürgerbegehren und -entscheide auf kommunaler Ebene. Seitdem wird in Bayern so oft gewählt wie in keinem anderen Bundesland. Von 138 Bürgerentscheiden in Deutschland fanden vergangenes Jahr 76 in Er beklagt die Blockadewirkung vieler Bürgerentscheide und will eine Reform. Befürchtet wird: Er will den Bürgerentscheiden die Zähne ziehen. Das aber wäre grundfalsch.

    Zunächst einmal sind die Motive, die Söder nennt, verständlich. Bayern braucht einen rascheren Wandel. Die Energieversorgung muss umgebaut werden, es sind große Investitionen in die Infrastruktur nötig. Neue Windräder oder Bahnlinien stoßen nicht überall auf Wohlgefallen. Hinzu kommen Bayerns Krankenhäuser, die meist in kommunaler Hand sind. Viele dieser Häuser gelten als nicht überlebensfähig – doch schon jetzt gibt es immer mehr Initiativen, welche örtliche Kliniken retten wollen. Egal, wie sinnvoll das erscheint.

    Zudem wirft das Verfahren Fragen auf. Damit ein Entscheid gilt, muss seine Mehrheit zwischen zehn und 20 Prozent der Wahlberechtigten entsprechen. Das hängt von der Größe der Kommune ab. Ist dieses Quorum zu hoch oder zu niedrig? Und wie sieht es mit der Möglichkeit aus, Unterschriften für ein Begehren digital zu sammeln? Schließlich: Sind die in Bayern sehr weit gefassten Zuständigkeiten der Begehren noch passend?

    Bürgerbegehren blockieren oft nichts

    Falsch ist es allerdings, Bürgerbegehren und -Entscheidungen als bloße Blockaden örtlicher Politik zu beschreiben, bei denen eine organisierte Minderheit der schweigenden Mehrheit das Leben schwer macht. Richtig ist: Das gibt es. Aber: Vergangenes Jahr waren weniger als die Hälfte der Bürgerbegehren bei den Abstimmungen erfolgreich. Zudem können die Begehren durchaus konstruktiv sein. In Augsburg zum Beispiel haben sie zu einer schönen neuen Stadtbücherei geführt und einer besseren Verkehrsdrehscheibe am Königsplatz. Erst jetzt haben die Erlanger für eine Stadt-Umland-Bahn-Trasse durch den Ort gestimmt, für die auch Söder geworben hatte. Zu den Gegnern hatte ausgerechnet die örtliche CSU gezählt. Viele Bürgermeister sehen Bürgerbegehren und -entscheide längst als Gelegenheit, um die eigene Bevölkerung einzubeziehen – und genau das muss auch der Weg sein, wenn es nun um die Reform dieses wichtigen Bestandteils der Demokratie in Bayern geht. 

    Der runde Tisch, an dem Vorschläge entstehen sollen, kann nur der erste Schritt sein. Am Ende sollte auch nicht der Landtag darüber befinden, sondern die Bayern selbst. Eine Reform der Bürgerentscheide ist ein klarer Fall für eine Volksabstimmung. So viel direkte Demokratie muss sein. 

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