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Kommentar: Brüssel braucht einen Plan für die Landwirtschaft

Kommentar

Brüssel braucht einen Plan für die Landwirtschaft

Matthias Zimmermann
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    Ein Landwirt bearbeitet bei Frost mit seinem Traktor und Arbeitsgerät eine Zwischenfrucht auf einem Feld in Niedersachsen.
    Ein Landwirt bearbeitet bei Frost mit seinem Traktor und Arbeitsgerät eine Zwischenfrucht auf einem Feld in Niedersachsen. Foto: Philipp Schulze, dpa (Symbolbild)

    Immerhin: Die Traktoren fahren jetzt wieder über die Felder und nicht durch die Innenstädte. Bald läuft die Getreideernte auf Hochtouren, da kann auf keine Arbeitskraft und keine Maschine verzichtet werden. Aber die Ruhe trügt. Berlin und Brüssel haben mit einer Reihe von Sofortmaßnahmen versucht, die Wut der Bauern zu ersticken. Ob das gelungen ist, darf angezweifelt werden.

    18 Prozent der Landwirte haben bei der Europawahl für die AfD gestimmt. Das sind drei Prozent mehr, als die in Teilen rechtsextreme Partei, die ihren Spitzenkandidaten im Wahlkampf verstecken musste, bundesweit erreicht hat. Und das von den Vertretern einer Branche, die wie kaum eine andere auf ausländische Saisonkräfte angewiesen und extrem vom Klimawandel betroffen ist. Lösungen dafür hat die AfD nicht zu bieten. 

    Man kann lange über die Wurzeln der Unzufriedenheit der Bauern diskutieren. Tatsache ist, dass die EU nun schnell eine Strategie für die Landwirtschaft braucht, die diesen Namen auch verdient. Denn die Herausforderungen werden größer, nicht kleiner. Und das liegt nicht nur am Klimawandel. 

    Die Bauernproteste könnten nur ein Vorgeschmack gewesen sein

    Am Dienstag haben in Luxemburg offiziell die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Ukraine begonnen. Der Weg bis zu einer Vollmitgliedschaft des kriegsgeschüttelten Landes ist noch lang, aber der politische Wille ist eindeutig. Mit der Ukraine soll der EU ein Schwergewicht beitreten, vor allem in Bezug auf die Landwirtschaft. Bei vielen Agrarprodukten gehört das Land mit den riesigen fruchtbaren Feldern zu den größten Exporteuren der Welt. Nach dem russischen Einmarsch hat die EU die Tore ihres Binnenmarkts etwa für ukrainischen Weizen weit geöffnet, um das Land wirtschaftlich zu stabilisieren. Diese temporäre und für Kiew extrem wichtige Maßnahme hat genügt, um eine Ahnung dessen zu bekommen, was der gemeinsamen Agrarpolitik bevorsteht, wenn die Ukraine mit an Bord ist. Es war auch der Druck auf die Weizenpreise, der die Bauern, gerade im östlichen Teil der Gemeinschaft, auf die Barrikaden getrieben hat. In der Folge hat Brüssel die Grenzen zum Binnenmarkt zumindest wieder mit klaren Schranken versehen, um die heimischen Bauern zu schützen. 

    Die EU kommt beim Umbau der Landwirtschaft zu langsam voran

    Die Ukraine hat nicht nur sehr fruchtbare Böden. Sie produziert auch in ganz anderen, industriellen Strukturen. In vielen Teilen Europas wäre der Weizenanbau in einem gemeinsamen Markt mit der Ukraine auf Dauer nicht mehr wettbewerbsfähig. Hinzu kommt aber noch etwas anderes: Der größte Teil der EU-Agrarförderung fließt weiterhin als Direktzahlung an die landwirtschaftlichen Betriebe. Richtgröße ist dabei die Betriebsgröße. Riesige Großbetriebe, die ohnehin bereits den Wettbewerb bestimmen, auch noch mit den höchsten Zahlungen zu unterstützen, wird nicht funktionieren – abgesehen davon, dass das Budget dafür nicht vorhanden wäre. 

    Man wird sich in typisch europäischer Manier auf Übergangsfristen einigen, das lässt sich schon vorhersagen. Aber wie eine grundsätzliche Reform der Agrarpolitik, die immer für mehrere Jahre festgeschrieben wird, aussehen sollte, dafür fehlen konkrete Vorschläge. Schon ohne diesen Elefanten im Raum kommt die EU viel zu langsam voran beim unausweichlichen Umbau der Landwirtschaft. Es ist eine der größten Zukunftsfragen für der EU, die Landwirtschaft im Dreieck von Nachhaltigkeit, EU-Erweiterung und Bezahlbarkeit neu auszurichten. Die Diskussion darüber muss jetzt geführt werden. Die Zeit wird knapp.

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