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Kommentar: Brisante Mischung aus Armut und politischem Frust im Iran

Kommentar

Brisante Mischung aus Armut und politischem Frust im Iran

Simon Kaminski
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    Der iranische Präsident Ebrahim Raisi setzt unvermindert auf gnadenlose Härte gegen die Demokratiebewegung im Land.
    Der iranische Präsident Ebrahim Raisi setzt unvermindert auf gnadenlose Härte gegen die Demokratiebewegung im Land. Foto: Iranian Presidency, dpa

    Wo fängt man an, wo hört man auf? Der Iran knechtet seine Bevölkerung, verletzt täglich Frauenrechte, richtet Gegner hin, schert sich immer weniger um den Atomdeal, liefert Drohnen an Russland, destabilisiert eine ganze Region. 

    Kein Wunder, dass Exil-Iraner und Kenner des Landes regelmäßig als Erstes gefragt werden, wie sie die Chancen des Widerstands der Regimegegner einschätzen. Unstrittig ist, dass die Opposition äußerst heterogen ist. Immerhin haben zuletzt die Bemühungen an Fahrt aufgenommen, eine vereinte Exil-Opposition aufzubauen – Menschenrechts- und Frauenaktivisten, Kurden, Schauspieler oder Sportidole sitzen mit am Tisch. Zuletzt wurde immer wieder der Name Reza Pahlavi als möglicher Akteur genannt, dem es gelingen könnte, die zersplitterte Opposition zu einen. Doch dem Sohn des Schahs begegnen viele Iranerinnen und Iraner mit Skepsis. 

    Auch wenn Pahlavi beteuert, dass er nicht die Rückkehr zur Monarchie anstrebe, weckt der Familienname doch Erinnerungen an seinen gleichnamigen Vater, der seine Herrschaft bis 1979 mit einem berüchtigten Geheimdienst, Folter und Unterdrückung zu sichern suchte. Aufhorchen ließ das Eingeständnis des früheren Ministerpräsidenten Mir Hossein Mousavi, dass die moderate Reformbewegung, zu dessen prominentesten Vertretern er zählt, gegen das Regime gescheitert sei. Mit seinem Vorstoß für ein Referendum für eine neue Verfassung fordert Mousavi die Machthaber von innen heraus.

    Mullahs fürchten politische Protesten und soziale Unzufriedenheit

    Im Iran finden nach wie vor jeden Tag Protestaktionen statt – kleiner und punktueller als noch vor einigen Monaten, um sich vor dem Zugriff der Sicherheitskräfte zu schützen. Zuletzt gab es Proteste von Lehrern, Bäckern oder Rentnern, denen schlicht das Geld fehlt, um über die Runden zu kommen. Die Armut ist eine Folge der Sanktionen, die das Regime nicht mehr abfedern kann. Gerade die brisante Mischung aus politischer Unzufriedenheit und sozialer Unruhe wird von den Mullahs gefürchtet. 

    Der iranische Präsident Ebrahim Raisi setzt unvermindert auf gnadenlose Härte gegen die Demokratiebewegung im Land.
    Der iranische Präsident Ebrahim Raisi setzt unvermindert auf gnadenlose Härte gegen die Demokratiebewegung im Land. Foto: Iranian Presidency, dpa

    Will Teheran nun möglichst schnell in den Besitz von Atomwaffen gelangen oder geht es eher darum, weiterhin mit dem Erpressungspotenzial einer möglichen nuklearen Bewaffnung zu operieren? Klar ist, dass der Atomdeal nur noch eine leere Hülle ist. Israel wird nicht tatenlos zusehen, wie der Erzfeind eine Atombombe bastelt. Wer den Zynismus der Mullahs für grenzenlos hält, könnte auf die Idee kommen, dass das Regime um den Hardliner Präsident Ebrahim Raisi hoffen könnte, dass sich die Iraner im Falle eines israelischen Luftschlages gegen Nuklearanlagen wieder enger um die Staatsmacht scharen. 

    Teheran fährt beim Thema Erpressung zweigleisig – auf dem Rücken von Regimegegnern. Tragisches Beispiel ist der Deutsch-Iraner Djamshid Sharmahd, der von den Machthabern als Geisel in einem perfiden Spiel benutzt wird. Außenministerin Annalena Baerbock, die zu Recht dafür kritisiert wurde, zu moderat auf die Provokationen aus dem Iran zu reagieren, gilt nun in Teheran als die hochrangige EU-Politikerin, die Kritik an den Mullahs am schärfsten formuliert. Die Chancen, Sharmahd zu retten, könnten steigen, wenn sich eine internationale Koalition unter deutscher Führung für ihn einsetzt. Allzu lange sollte man damit nicht warten.

    Vergessen wird oft, dass viele Staaten gar kein Interesse an einem demokratischen Iran haben. Das gilt für Russland, aber auch für die Saudis oder die Golfstaaten. Das macht es schwer, den Druck auf das Regime weiter zu erhöhen.

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