„Wer alles haben will“, sagt ein arabisches Sprichwort, „verliert alles.“
Seit 1947 haben die Palästinenser noch jedes Angebot ausgeschlagen, um ihren Traum vom eigenen Staat Wirklichkeit werden zu lassen. Damals akzeptierten die Juden den Teilungsplan der Vereinten Nationen für das britische Mandatsgebiet und gründeten Israel – den Arabern dagegen genügte das für sie vorgesehene Territorium nicht. Sie lehnten ab. 2008 schließlich versprach Premier Ehud Olmert Palästinenserführer Mahmud Abbas als Ausgleich für die jüdischen Siedlungen in der Westbank eine ähnlich große Fläche israelischen Landes und Ostjerusalem als Hauptstadt. Wenig später endete dieser Versuch im Raketenhagel der Hamas.
Die Palästinenser müssten das Existenzrecht Israels anerkennen
Die Massaker vom 7. Oktober haben eine Neuauflage solcher Verhandlungen bis auf Weiteres unmöglich gemacht. Politisch tot allerdings war die Zweistaatenlösung schon vorher. Sie scheitert bereits daran, dass weite Teile der Palästinenser nicht bereit sind, das Existenzrecht Israels anzuerkennen. „From the river to the see, Palestine must be free.“ Ihr Schlachtruf, häufig auch bei Demonstrationen in Deutschland zu hören, signalisiert ja genau das Gegenteil: Vom Jordan bis zum Mittelmeer darf es danach nur einen Staat geben, nämlich einen arabischen.
Andererseits: Wer sollte Israel seine Existenz denn garantieren können? Im Moment gibt es auf palästinensischer Seite niemanden, der auch nur Prokura für irgendetwas hätte. Formell ist Abbas zwar der Chef der Autonomiebehörde, faktisch aber ist er ein König ohne Land. Selbst in der Westbank, wo er sitzt, haben die Extremisten an Einfluss gewonnen. Abbas, 87 Jahre alt, ist nur noch damit beschäftigt, einer korrupten Funktionärsclique in Ramallah ihr privilegiertes Leben zu sichern. Wer nach ihm kommt? Ebenso unklar wie das künftige Verhältnis zwischen dem Westjordanland und Gaza, wenn Israel die Hamas für immer zerstören sollte. Sprechen beide „Landesteile“ dann wieder mit einer Stimme? Oder kommen andere Extremisten ans Ruder, ferngesteuert aus dem Iran?
Arafat hatte noch Prokura – Abbas hat sie nicht mehr
Vor den Osloer Verträgen, die ja in eine Zweistaatenlösung münden sollten, war die Ausgangslage eine andere. Jassir Arafat hatte zwar ein ambivalentes Verhältnis zur Gewalt, Israels Ministerpräsident Ichtazk Rabin und Außenminister Shimon Peres aber wussten, dass er im Namen aller Palästinenser sprach. Sie konnten sich, so grotesk das klingen mag, auf Arafat verlassen und erhielten 1994 sogar zu dritt den Friedensnobelpreis.
Seitdem haben sich die Palästinenser nicht nur weiter radikalisiert – ihnen fehlt auch alles, was ein souveräner Staat braucht: Eine eigene Währung, funktionierende Institutionen, breite diplomatische Anerkennung und eine Wirtschaft, die den Menschen Arbeit gibt. Heute lebt die palästinensische Autonomie fast ausnahmslos von Hilfsgeldern aus aller Welt, Tausende ihrer Bürger fahren jeden Tag nach Israel und in die angeblich so verhassten jüdischen Siedlungen, um dort zu arbeiten. Kann das das Geschäftsmodell eines neuen Staates sein?
Nüchtern betrachtet spricht im Moment alles gegen die Zweistaatenlösung, auch wenn viele Regierungen das nicht wahrhaben wollen, allen voran die deutsche. Das Maximum, was die Palästinenser auf absehbare Zeit erreichen können, ist eine partielle Autonomie, die aber nur funktioniert, weil andere ein Auge darauf haben – so wie die Vereinten Nationen seit fast 30 Jahren in Bosnien. Und zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer liegt für immer Israel.