Politik ist problematisch, wenn sie ein Problem größer statt kleiner macht. Normalerweise – so lernen wir es im Gemeinschafts- oder Gesellschaftskundeunterricht – nehmen sich Politiker eines Problems an, um es zu lösen. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) tut das Gegenteil.
Das Problem, das sie hat, sind die enormen Baukosten. Quadratmeterpreise, die früher für Sylt, Frankfurt am Main oder München standen, kommen heute in ganz Deutschland vor. Neue, bezahlbare Wohnungen entstehen nicht mehr. Doch statt dem gefährlichen Trend entgegenzuwirken, beschleunigt sie ihn sogar.
Die Kosten rechtfertigen den Nutzen nicht mehr
Am Montag will sie ihr Konzept zum nachhaltigen Bauen vorstellen. Zu erwarten ist, dass darin vorgeschlagen wird, noch strengere Vorgaben für Dämmung, Energieverbrauch und Baustoffe zu machen. Das wiederum bedeutet, dass Neubau und Sanierung noch teurer werden als ohnehin schon. Dabei rufen ihr Experten, die Bauindustrie und Architekten seit Amtsantritt zu, dass in Deutschland zu teuer gebaut wird. Die Vorschriften erfordern einen Aufwand an Technik und Material, der den angestrebten Nutzen bei der Einsparung von Energie nicht mehr rechtfertigt.
Geywitz hat das Pech, dass die Energiekrise und die dadurch verursachte Kostenexplosion bei Material, der Personalmangel und das Ende der Nullzinsen den seit zehn Jahren anhaltenden Trend steigender Baukosten verschärft haben. Mittlerweile bewegen sie sich auf einem Niveau, das auch für Gutverdiener den Traum vom Häuschen oder der Eigentumswohnung zunichtemacht und für Mieter ein Albtraum ist. Lagen die Preise für Vermietung neuer Wohnungen letztes Jahr noch zwischen 14 und 18 Euro je Quadratmeter (kalt), haben sie jetzt die Marke von 20 Euro erreicht.
Diese Höhe überfordert selbst die gutverdienende Mittelschicht, weshalb derzeit reihenweise Bauprojekte gestrichen werden. In der Folge steigen die Mieten weiter, weil die Nachfrage nach Wohnungen nicht kleiner geworden ist. Im vergangenen Jahr sind weit über eine Million Flüchtlinge in die Bundesrepublik gekommen – aus der Ukraine, aus Afghanistan, aus dem Irak. Sie alle müssen irgendwo wohnen. In den kommenden Jahren will die Ampel-Koalition hunderttausende Fachkräfte aus dem Ausland nach Deutschland holen, um den Personalbedarf von Staat und Wirtschaft zu decken. Sie alle müssen auch irgendwo wohnen.
Der soziale Frieden ist gefährdet
Als sozialverträglich gelten Kaltmieten zwischen 6,50 Euro und acht Euro. Davon ist Deutschland meilenweit entfernt. Das Schlimme daran ist, dass die Politiker ihrerseits wenig in ihrer Macht stehende tun, um Bauen und Wohnen günstiger zu machen. Die Schuld trifft nicht die Bauministerin allein, sondern auch ihre Kollegen aus den Landesregierungen, die für den sozialen Wohnungsbau zuständig sind. Noch immer fallen mehr Sozialwohnungen aus der Preisbindung als neue hinzukommen. Geywitz weitete gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz den Kreis der Wohngeldberichtigten aus, an den Ursachen der Misere arbeitete sie nicht.
Die Vorschläge der Baukostensenkungskommission liegen seit einigen Jahren auf dem Tisch. Der Tenor der Fachleute lautet, weniger Material einzusetzen. Doch die Empfehlungen wurden von Geywitz' Vorgänger Horst Seehofer (CSU) genauso ignoriert wie von ihr. Überraschend ist, dass die Sozialdemokratin trotz aller Dramatik in ihrem Zuständigkeitsbereich das große Staatsprogramm für bezahlbares Wohnen scheut. Denn bei den erreichten Kosten läuft auch das Mantra "bauen, bauen, bauen" ins Leere. Wenn der Staat oder an seiner Stelle Genossenschaften das Bauen und Wohnen nicht massiv bezuschussen, läuft Deutschland in eine Wohnungsnot hinein, die den sozialen Frieden gefährdet.