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Kommentar: Ausgerechnet die SPD wurde zum Vorbild für die Union

Kommentar

Ausgerechnet die SPD wurde zum Vorbild für die Union

Stefan Lange
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    Helge Braun, Norbert Röttgen und Friedrich Merz (v.l.) stehen als Kandidaten für den Parteivorsitz zur Wahl. Doch sie schaffen es nicht, ihrer Partei neuen Schwung zu geben.
    Helge Braun, Norbert Röttgen und Friedrich Merz (v.l.) stehen als Kandidaten für den Parteivorsitz zur Wahl. Doch sie schaffen es nicht, ihrer Partei neuen Schwung zu geben. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Es ist gerade merkwürdig still bei CDU und CSU. Elf Wochen nach der Wahl lässt sich die Ruhe einerseits damit erklären, dass beide Parteien im Bundestag erst in ihre neue Oppositionsrolle finden müssen. Nach 16 Jahren an der Macht darf die Eingewöhnung durchaus schwerfallen. Es gibt weniger Sitze im Parlament, die staatlichen Zuschüsse fallen geringer aus, auf Arbeitsebene sind Personalfragen zu regeln. Doch damit allein ist der Stillstand nicht zu erklären. Die Union, so scheint es, hat doch erheblich mehr Probleme, sich nach der Ära Merkel neu zu erfinden, als vorher gedacht.

    Ein paar Tage noch, dann endet die Abstimmungsphase in der Mitgliederbefragung zum neuen CDU-Parteivorsitzenden. Am Donnerstag ist Einsendeschluss, das Ergebnis wird am Freitag verkündet. Derzeit ist davon auszugehen, dass sich keiner der drei Kandidaten eindeutig absetzen kann. Helge Braun, Friedrich Merz und Norbert Röttgen stehen zur Wahl, einer von ihnen wird sich aus dem Rennen verabschieden müssen. Danach dürfte es in die Stichwahl gehen.

    Oppositionsführer Ralph Brinkhaus hat kaum Strahlkraft

    Die drei Kandidaten verhalten sich, gemessen am Anlass, ruhig. Kämpferische Ansagen gibt es kaum. Statt Unterschiede herauszuarbeiten, betont jeder, dass der andere auch ein guter Vorsitzender wäre. Der Wahlkampf der drei Kandidaten wirkt kalt bis hin zur Erstarrung.

    Tatsächlich scheint vielen Christdemokraten erst nach dem vollzogenen Regierungswechsel richtig bewusst zu werden, dass sie nicht mehr von Merkel geführt werden. Die hatte selbst als geschäftsführende Kanzlerin noch mehr Strahlkraft als das aktuelle Personal. Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus etwa ist noch nicht als Oppositionsführer im Bundestag aufgefallen. Dabei ist er zunächst nur bis Ende April im Amt und könnte durch stramme Führung schon mal Punkte für seine Wiederwahl sammeln.

    Söder muss sich um Bayern kümmern

    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, einst gewaltiges Sprachrohr in der Union, hat vom lauten Stakkato aufs weiche Legato umgeschaltet. Bloß nichts falsch machen, scheint die Devise zu sein. Der CSU-Chef leidet an einem schleppenden Machtverlust, zur bayerischen Landtagswahl 2023 muss er liefern, sonst sind seine Tage an der Spitze gezählt.

    Mit ihrer an Verzagtheit grenzenden Unsicherheit ist die Union nicht allein. In ganz Europa schauen konservative Parteien mit Schaudern auf schlechte Wahlergebnisse und Umfragewerte. In Frankreich etwa ist die lange währende Vormachtstellung der konservativen Republikaner vorerst gebrochen. Ähnliche oder gar noch heftigere Entwicklungen sieht man in Spanien, Italien oder den Niederlanden. In Ländern wie Slowenien, Ungarn und Polen haben extrem rechte Parteien den Konservatismus regelrecht plattgewalzt. Den konservativen Parteien in

    Die SPD profitiert von der Angst der Konservativen

    Die Ängstlichkeit der Konservativen beflügelt einerseits den Rechtspopulismus in vielen europäischen Staaten, Deutschland inklusive. Anderseits verschafft er nicht nur rechten Wirrköpfen Auftrieb, sondern paradoxerweise auch der Sozialdemokratie. Hätte sich beispielsweise hierzulande die Union über Richtungs- und Führungsfragen nicht so heftig zerstritten, wäre Olaf Scholz womöglich nicht Kanzler geworden. Dass er es nun doch ist, belebt sozialdemokratische Parteien in ganz Europa. Und sie eröffnet für Christdemokraten und Christsoziale eine Wahrheit, die zwar bitter ist, aber einen wirklichen Neustart ermöglichen könnte: Von den Sozialdemokraten lernen, heißt siegen lernen.

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