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Kommentar: Auch in der Niederlage spielt der Kanzler noch auf Zeit

Kommentar

Auch in der Niederlage spielt der Kanzler noch auf Zeit

Rudi Wais
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    So schnell, wie es die Union gern gehabt hätte, stellt Kanzler Olaf Scholz die Vertrauensfrage nicht.
    So schnell, wie es die Union gern gehabt hätte, stellt Kanzler Olaf Scholz die Vertrauensfrage nicht. Foto: Carsten Koall, dpa

    Halb zog man ihn, halb sank er hin. Olaf Scholz stellt die Vertrauensfrage jetzt zwar einen Monat früher als er es ursprünglich geplant hatte - die Souveränität jedoch, die ein Helmut Schmidt oder ein Gerhard Schröder in vergleichbaren Situationen gezeigt haben, sucht man bei ihm vergebens. Schmidt, zum Beispiel, zog 1982 in einer geschliffenen Rede im Bundestag einen Strich unter die Koalition mit der FDP und fügte sich in hanseatischer Korrektheit in das Unvermeidliche, nämlich die Kanzlerschaft Helmut Kohls. Schröder wiederum erzwang im Wissen, nicht mehr viel bewirken zu können, 2005 vorgezogene Neuwahlen, obwohl seine rot-grüne Koalition noch eine Mehrheit im Bundestag hatte. Beide klebten nicht an der Macht.

    Scholz dagegen, obschon Hanseat wie Schmidt, hat eine Woche lang wie ein marokkanischer Teppichhändler um sie geschachert. Erst verschanzte er sich hinter der Bundeswahlleiterin, die sich beklagte, sie habe nicht genügend Zeit zur Vorbereitung einer vorgezogenen Neuwahl. Dann schob er seine Verantwortung auf andere ab, indem er den Termin und die politischen Konditionen für die Vertrauensfrage von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und CDU-Chef Friedrich Merz aushandeln ließ - als sehe die Verfassung dafür eine Art Vermittlungsausschuss vor.

    Tatsächlich ist es ausschließlich Sache  des Kanzlers, in einer solchen Situation rasch für klare Verhältnisse zu sorgen. Wann, wenn nicht jetzt, hat das Parteipolitische hinter das Staatspolitische zurückzutreten?  Mit der Einigung auf den 16. Dezember für die Vertrauensfrage und den 23. Februar für die Neuwahl ist Scholz seinen Kritikern zwar einen kleinen Schritt entgegengekommen. In die Schmidt-Schröder-Liga aber steigt er damit nicht auf. Im Gegenteil. Selbst in der Niederlage spielt der Kanzler noch auf Zeit. Das ist so unnötig wie unwürdig.  Warum nicht schon im November Fakten schaffen? Der Bundestag ist im Moment ohnehin zur Untätigkeit verdammt. Viel entscheiden wird er, anders als Scholz suggeriert, nicht mehr.

    Zwingen kann den Kanzler niemand

    Das Grundgesetz sichert dem Regierungschef in Deutschland eine starke Stellung. Er (oder sie) allein entscheidet, ob er (oder sie) die Vertrauensfrage stellt – und wenn ja, wann. Mit diesem Privileg aber muss ein Kanzler auch verantwortungsbewusst umgehen und den Weg für Neuwahlen frei machen, wenn eine Koalition am Ende ist und sich aus dem Parlament heraus keine neue bildet. Dazu zwingen kann ihn niemand, das Grundgesetz verlässt sich hier ganz auf das Pflichtgefühl und das Amtsverständnis des Kanzlers. Dass in die gesetzlich vorgegebenen Fristen Ostern, Weihnachten oder die Sommerferien fallen können, darf ebenso wenig ein Grund für den Aufschub einer Vertrauensfrage sein wie die absurde Behauptung, es fehle gerade an Papier für Wahlbenachrichtigungen und Stimmzettel und an Zeit für das Schulen von Wahlhelfern. Eine Wahlleiterin, die so argumentiert, hat ihren Beruf verfehlt.  1972, bei der ersten vorgezogenen Neuwahl, war das Bedrucken von Papier noch deutlich aufwendiger und zeitraubender als heute, im digitalen Zeitalter. Trotzdem  wurde pünktlich gewählt.

    Seine Regierungserklärung an diesem Mittwoch wäre eine gute Gelegenheit für Olaf Scholz gewesen, die V-Frage zu stellen – da hat sein Herausforderer Merz recht. Zwei von drei Deutschen sehen das ähnlich, Weihnachten hin oder her. Ihr Kanzler aber tat eine Woche lang so, als  könne er auch ohne eigene Mehrheit noch eine Weile weiterregieren – ein echter Scholz, möchte man sagen, sich selbst gerne überschätzend und die Einwände anderer lange ignorierend. Dass die SPD in den ersten Umfragen nach dem Ampel-Aus weiter zurückfällt, ist kein Zufall. Ihr Problem hat einen Namen – Olaf Scholz. Nur: Wer sagt es ihm?

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    9 Kommentare
    Helmut Hellebrand

    Wenn die Neuwahlen so ausgehen wie die Presse so meint - welche Feindbilder sucht sich dann Rudi Wais?

    Walter Koenig

    Seriöser Journalismus sieht anders aus, Herr Wais. Von dem sind Sie so weit entfernt wie die Venus von der Erde. Es gibt gute und nachvollziehbare Gründe, weshalb die Vertrauensfrage auf den 16. Dezember gelegt wurde. Die hätten Sie beispielsweise gestern um 19 Uhr im ZDF in heute sehen können. So funktioniert nämlich seriöser und informativer Journalismus, was Sie hier treiben, das hat wenig damit zu tun. Herr Scholz hatte in den vergangenen Tagen Termine, die Sie unter https://www.bundeskanzler.de/bk-de/olaf-scholz/terminkalender-scholz nachlesen können. Was steht dagegen, wenn Herr Mützenich und Herr Merz die organisatorischen Dinge klären? Ein Kanzler muss auch delegieren können, auch wenn Ihnen das nicht gefällt!

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    Karl Heinz Lange

    Stimme Ihnen voll und ganz zu.

    Wolfgang Steger

    Herr Scholz als " marokkanischer Teppichhändler ". Herr Wais, Sie sind kein ernst zu nehmender Journalist, sondern ein rechter Demagoge.

    Klara Rasper

    Was ist jetzt genau der Schaden, ob wenige Wochen frueher oder spaeter ? Und Merz/Mützenich sind auf Augenhoehe, wo ist da das Problem ? Ansonsten ist den Kommentaren der Vorgaenger nichts hinzuzufuegen.

    Wolfgang Boeldt

    Es ist wirklich so was von egal wann welche Frage mit den entsprechenden Folgen gestellt wird. Niemand kann ihn zwingen - er müsste sie auch gar nicht stellen. Auch eine Minderheitsregierung kann regieren. Der Oppositionsführer hat ja auch ein starkes Mittel zur "Absetzung" des BK in der Hand. Aber er traut sich wohl nicht, weil er sich nicht sicher ist. Verständlich. Vielleicht gibts doch noch eine Überraschung wer der nächste BK sein wird ... .

    Richard Merk

    Gehört jetzt das Nachtreten auch zu den Spezialitäten von Rudi Wais. Wie wäre es auf das bayerische Justizministerium und auf Söders Kürzungen im Sozialbereicht zu schauen. Soweit reicht wohl der Horizont nicht.

    Wolfgang Leonhard

    Rudi Wais sollte sich langsam wieder einkriegen. Merz und Dobrindt wollten unbedingt schon Mitte Januar wählen, Scholz im März. Jetzt wird es Ende Februar und Merz gibt zu, sein Datum sei "zu ambitioniert" gewesen. Auch ein Parteigänger sollte versuchen, die journalistischen Mindeststandards einzuhalten.

    Rainer Kraus

    Das sind alles karnevalistische Veranstaltungen und letztendlich wird eine vorgezogene Neuwahl nur einige Monate gewinnen, Kosten verursachen und effektiv nichts für die Sache sowie Land & Leute bringen bzw. gewinnen. Eine Neuwahl wäre bei Halbzeit d.h. nach 2 Jahren sinnvoll gewesen.

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