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Kommentar: Antisemitismus nach Gutmenschenart

Kommentar

Antisemitismus nach Gutmenschenart

Rudi Wais
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    Solidaritätskundgebung mit Israel wie hier am Augsburger Königsplatz sind längst keine Selbstverständlichkeit.
    Solidaritätskundgebung mit Israel wie hier am Augsburger Königsplatz sind längst keine Selbstverständlichkeit. Foto: Silvio Wyszengrad (Symbolbild)

    Der Antisemitismus hat viele Fratzen. Er trägt das hässliche Gesicht der extremen Rechten, deren Judenhass sich kaum von dem muslimischer Fanatiker unterscheidet. Er trägt die Unschuldsmiene des Spießbürgers, der nicht gewalttätig wird, dessen Abneigung gegen alles Jüdische aber tief in ihm (oder in ihr) sitzt – und er trägt die Maske des Gutmenschen, der die Solidarität mit den Palästinensern beschwört und ihre jüdischen Nachbarn gleichzeitig der Apartheid oder des Neokolonialismus bezichtigt. Dieser Antisemitismus von links ist lange Zeit kaum beachtet worden, seit den Angriffen der Hamas vom 7. Oktober aber artikuliert er sich in neuer Heftigkeit.

    Israel ist im Gaza-Krieg nicht der Aggressor

    Eine trotzkistische Gruppe namens „Marx 21“ etwa, von der bereits mehrere Mitglieder als Abgeordnete der Linkspartei in den Bundestag eingezogen sind, hat die Massaker der Hamas als „Gegenschlag“ gerechtfertigt. Die Palästinenser, hieß es da, hätten lediglich von ihrem Recht auf Widerstand Gebrauch gemacht – als sei Israel in diesem Krieg der Aggressor und nicht die Islamisten. Ein Mitglied der Gruppe machte für die Toten auf israelischer Seite gar den „zionistischen Siedlungskolonialismus“ verantwortlich. 

    Die Identifikationsfiguren des linken Antisemitismus sind Männer wie der Musiker Roger Waters, dessen Boykottbewegung BDS nach dem Nazi-Motto „kauft nicht bei Juden“ agiert – und Frauen wie die amerikanische Philosophin Judith Butler, eine Ikone der queeren Szene, die unter Leid ausschließlich palästinensisches Leid versteht und Israel „kolonialen Rassismus“ vorwirft. Vor allem an amerikanischen Universitäten wie der in Berkeley, an der Butler lehrt, hat sich so ein Milieu etabliert, in dem die Grenze zwischen legitimer Israel-Kritik und intellektuellem Antisemitismus täglich neu überschritten wird und dessen zersetzendes Denken längst bis nach Europa ausstrahlt. Die Documenta in Kassel war das bislang sichtbarste Zeichen dafür: Eine kreative, tendenziell linke Clique hatte keine Scheu, antisemitische Stereotype zu einer Art Kunstform zu erklären.

    Judith Butler in der Paulskirche in Frankfurt am Main.
    Judith Butler in der Paulskirche in Frankfurt am Main. Foto: Frank Rumpenhorst dpa

    Der Hass auf Israel und seine Juden speist sich vor allem aus einem Narrativ, nach dem Israel eine neuzeitliche Kolonialmacht ist, die den Palästinensern einen eigenen Staat verwehrt – obwohl die letzte Kolonialmacht der Region, die Briten, ihnen genau den 1947 erfolglos angeboten hatte. So aber werden die Palästinenser (und die palästinensische Gewalt) von vielen Linken seit den Sechzigerjahren mit der Studentenbewegung und dem Widerstand gegen alles Etablierte als Befreiungsbewegung verklärt. Dass der Zionismus auch nichts anderes ist als eine Befreiungsbewegung bleibt in dieser antiimperialistischen Revolutionsromantik außen vor. Es war Theodor Herzl, der den Juden im späten 19. Jahrhundert mit seiner Vision von einem Staat, in dem sie frei von Antisemitismus leben können, neue Hoffnung gab. So gesehen waren Herzl und der spätere Staatsgründer Ben Gurion auch nichts anderes als Freiheitskämpfer – die Arafats der Juden, wenn man so will.

    Die Hamas ist kein Teil der globalen Linken

    Wie grotesk der Blick vieler Linker auf den Nahen Osten im Allgemeinen und Israel im Besonderen ist, zeigt das Beispiel von Judith Butler, die die Hamas für eine „soziale Bewegung“ und einen „Teil der globalen Linken“ hält. So zu denken, heißt nicht nur, den Terroristen argumentativ in die Hände zu spielen. Hier unterscheidet sich der Antisemitismus von Butler oder Waters in seiner Engstirnigkeit auch nicht mehr von dem auf Rechtsaußen. Er tarnt sich nur besser – eine moralische Bankrotterklärung bleibt er gleichwohl.

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