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Kommentar: An der Rente mit 68 führt kein Weg vorbei

Kommentar

An der Rente mit 68 führt kein Weg vorbei

Rudi Wais
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    An der Rente mit 68 führt laut unserem Autor kein Weg vorbei.
    An der Rente mit 68 führt laut unserem Autor kein Weg vorbei. Foto: Sebastian Kahnert, dpa

    Armin Laschet weiß, warum er vor der Wahl über vieles reden möchte, nur nicht über die Rente. Mehr als 21 Millionen Rentner sind auch mehr als 21 Millionen Wähler – da will jeder Satz doppelt und dreifach überlegt sein. Kein Politiker spricht im Wahlkampf gern unbequeme Wahrheiten an, schon gar nicht bei einem so sensiblen Thema wie der Rente, die ja viel mehr ist als eine finanzielle Absicherung im Alter. In ihr drückt sich auch die Anerkennung für eine berufliche Lebensleistung aus – und die fällt in Deutschland gegenüber anderen europäischen Staaten heute schon reichlich schal aus.

    In der nächsten Legislatur gehen die ersten geburtenstarken Jahrgänge der späten Fünfziger- und frühen Sechzigerjahre in den Ruhestand. Sie stehen, salopp gesagt, noch auf halbwegs sicherem Boden, weil die schrittweise Einführung der Rente mit 67 zumindest bis zum Jahr 2029 eine gewisse Planungssicherheit für Versicherte, Arbeitgeber und Finanzminister schafft. Was danach kommt, wie teuer der Erhalt des Systems sein wird und wie groß der Reformdruck, ist offen. Gefährlich offen.

    Das Rentenalter muss an die steigende Lebenserwartung angepasst werden

    Dabei hat die Politik bei der gesetzlichen Rente nur wenige Stellschrauben, an denen sie drehen kann. Die Beamten aus ihrem privilegierten (und teuren) Pensionssystem in die gesetzliche Rentenkasse zu holen, wird so schnell keine Bundesregierung wagen. Die Beiträge kräftig anzuheben, wäre angesichts der hohen Steuer- und Abgabenbelastung ökonomisches Harakiri – bleiben also nur ein höherer Steuerzuschuss als die gegenwärtigen knapp 100 Milliarden Euro oder die denkbar unpopulärste Maßnahme: länger zu arbeiten.

    Dass das Rentenalter in einer alternden Gesellschaft regelmäßig an die steigende Lebenserwartung angepasst werden muss, ist eigentlich eine politische Binse. Trotzdem mogelt sich bisher jede Partei um eine ehrliche Antwort auf diese Frage herum – oder flüchtet sich in demonstrativen Protest, wenn Wirtschaftsforscher vorrechnen, dass der Rente mit 67 irgendwann die Rente mit 68 oder vielleicht sogar die Rente mit 70 wird folgen müssen. Ja, schlimmer noch: Union und SPD haben jeder ökonomischen Vernunft zum Trotz sogar noch die abschlagsfreie Rente mit 63 nach 45 Versicherungsjahren eingeführt. Geschätzte Kosten: weit über zwei Milliarden Euro im Jahr.

    Viele werden in der Rente nicht mehr den gewohnten Lebensstandard halten können

    Auch die aktuelle Debatte um die Rente mit 68 hat etwas Heuchlerisches: Sie suggeriert den Menschen, dass ja noch alles in Ordnung wäre, obwohl schon der Generation der heute 40-Jährigen angst und bange werden muss, wenn sie an den Tag danach denkt. Den Tag nach dem letzten Lohn oder dem letzten Gehalt. Mit einem Rentenniveau von 45 Prozent eines Durchschnittseinkommens werden viele Versicherte den gewohnten Lebensstandard im Alter nicht halten können.

    Umso wichtiger wäre es, nicht nur die gesetzliche Rente rechtzeitig wetterfest zu machen, sondern auch die private Vorsorge zu stärken und die im Kern vernünftige, aber halbherzig umgesetzte Riester-Rente mit ihren hohen Kosten und ihren niedrigen Renditen nun durch ein System nach skandinavischem Vorbild zu ersetzen, in dem ein (kleiner) Teil der Rentenbeiträge in Aktienfonds fließt, die entweder staatlich zertifiziert oder gar staatlich gemanagt werden. Das spart Provisionen – und bringt auf lange Sicht höhere Erträge. Die beste Kombination für ein sorgenfreies Leben im Alter ist schließlich noch immer eine Kombination aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Altersvorsorge. Gerhard Schröder und Walter Riester haben das vor 20 Jahren erkannt und versucht, die Weichen neu zu stellen. Von Armin Laschet, Annalena Baerbock und Olaf Scholz hat man bisher nichts Vergleichbares gehört.

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